Samstag, 9. Oktober 2010

Nureddin zu "Verrat"




Jesus (Friede sei mit ihm) wird in diesem Kapitel von einem Freund verraten und von den Gelehrten an die Römer ausgeliefert. Das ist nahezu makaber und hochbrisant, weil man eine solche Behandlung eher von Fremden erwarten würde, von Feinden. Aber hier wird noch einmal deutlich, dass Blutsnähe weniger ist als Glaubensnähe. Als ein naher Außenstehender, der ich in Bezug auf das Christentum bin, sehe ich die depressiv stimmenden Folgen des hier ausgelösten Schocks immer noch im christlichen Glauben.

Mich wundert zum Beispiel, dass gerade das Mordinstrument Kreuz, mit dem nach christlichem Glauben, der Mord an Jesus (FSMI) verübt wurde, von den Christen als Symbol für das Christentum genommen wird. Ich fände es verständlicher, wenn die Mörder, also die Römer oder die jüdischen Gelehrten, dieses Symbol als Erinnerung mit sich tragen würden. Mir fällt außerdem auf, dass die meisten Kirchen, wenn auch etwas weniger bei den evangelischen, eher dunkle Gemäuer, mit kleinen, verdunkelten Fenstern und möglichst wenig Licht haben. Beim Anblick einer orthodoxen oder katholischen Kirche von außen oder innen überkommt mich meist eher ein Schauer statt Respekt vor Gott. Die Kirchenglocken klingen im Verhältnis zu einer schönen Menschenstimme eher kalt und tot.

Ich erkenne darin einen Sinn, der einer tief depressiven Stimmung entspricht, die auf den traurigen Beginn der christlichen Religion und auf diese traurigen letzten Stunden Jesu (FSMI) zurückzuführen ist. Für mein Empfinden ist diese Grundhaltung zwar verständlich aber nicht sehr richtig, und auf mich wirken diese Dinge insgesamt nicht sehr einladend.

Was ich auch für sehr interessant finde ist, dass Jesus (FSMI) schon wieder, wie an vielen anderen Stellen im Evangelium auch, sich als Menschensohn benennt. Diese Aussage deckt sich mit der Fortsetzung des Evangeliums, dem Koran. Dort wird Jesus (FSMI) als Sohn Marias benannt. Diese Aussagen liegen damit im direkten Widerspruch zu den Stellen im Evangelium, welche die Gottessohnschaft Jesu (FSMI) benennen. Hier müssen sich die Christen meines Erachtens klarer positionieren und sich für eine der beiden Aussagen entscheiden.

Mein Vorschlag ist natürlich, dass Jesus (FSMI) Sohn des Menschen und Gottes Geschöpf ist. Das entspricht der monotheistischen Rolle des Christentums mehr, das andere ist eher götzenhaft.

Das andere Thema ist der Verrat Jesu (FSMI). Judas gehört auch nach der islamischen Überlieferung zunächst zu den zwölf Aposteln. Durch sein Handeln entpuppt er sich allerdings als Verräter und überliefert Jesus (FSMI) den Römern. Das seltsam ängstliche Verhalten Jesu(FSMI), der merkwürdige fehlende Schutz durch die Apostel für Jesus (FSMI) in der Stunde des Verrats wirken nach meinem Geschmack ein wenig so, als ob sie dem Erfindungsgeist der späten Niederschrift des Evangeliums geschuldet sind. Weder Jesus (FSMI) noch die Apostel konnten meines Erachtens in Wirklichkeit eine solche Rolle spielen.

Es gibt unterschiedliche Meinung darüber, von wem und vor allen Dingen wann die Evangelien niedergeschrieben worden sind. Ich werde um meines Freundes Christian Willen nicht noch einmal an dieses Thema herangehen und will deshalb an dieser Stelle nur am Rande bemerken, dass es hier noch sehr viel offenen Diskussionsstoff gibt, den man als Christ kritisch untersuchen sollte.

Das Verhältnis von Heidenchristen zu Judenchristen finde ich als Muslim sehr interessant. Manche Gedanken hierzu stammen nicht von uns Muslimen sondern von hinterfragenden Christen, und deren Sicht deckt sich mit der islamischen Sicht.

In Wikipedia steht
:

Das jüdische Urchristentum zeichnet sich als eine der damaligen Strömungen des Judentums durch den kollektiven Glauben an den nahe bevorstehenden Weltuntergang und das Endgericht durch Gott aus.

Es erfolgte im späten 1. Jahrhundert jedoch auch eine Missionierung und Aufnahme auch nicht-jüdischer, heidnischer Menschen in das Urchristentum, die nicht mehr die jüdischen Speisegebote, Reinheits- und Schabbatgebote und das Gebot der Beschneidung erfüllen mussten. Es bildete sich das Heidenchristentum, das den Menschen des römisch-griechischen Kulturraumes entgegenkam und die Notwendigkeit der Bildung in der hebräischen Sprache, z.B. für die vielen Armen, Ungebildeten, Unterschichten oder Sklaven des römischen Imperiums erübrigte. Die Mitgliedszahlen der Heidenchristengemeinden stiegen rasch. Diese Missionsaktivitäten und anderes führten zur Abspaltung der jungen entstehenden christlichen Kirche von den jüdischen Gemeinden und der Lehre des Jesus von Nazareth und zur Verfolgung der ursprünglichen judenchristlichen Gemeinden jüdischer Tradition durch die junge christliche Kirche. Das Missionsgebiet umfasste zu dieser Zeit das östliche Mittelmeergebiet, wo die griechische und römische Sprache verbreitet war und die großen Kulturzentren lagen. Soziale und politische Spannungen „lagen auf der Straße“, Angst vor dem Einfall der Barbaren herrschte vor und das römische Imperium war im Kampf mit seiner jüdischen Provinz, in der es immer wieder Aufstände und Unruhen, religiöse Führer und Prediger gab, vor allem in Jerusalem mit dem jüdischen Tempel.

Die vorherige Religionszugehörigkeit jener Menschen umfasste den weiten Bereich der im römischen Reich verbreiteten Religionen und Philosophien. Es gab Anhänger der Götter des griechischen und römischen Pantheon oder des ostpersischen Mithras-Kultes. Philosophien jener Zeit waren unter anderem der Platonismus, die Sophistik und die der Epikureer. Die soziale Zugehörigkeit jener Menschen umfasste hauptsächlich den weiten Bereich von Randgruppen, sozialer Unterschicht, Sklaven, Entrechteten, aber auch reichen römischen Witwen und gebildeten Vollbürgern.

Verfolgungen der Judenchristen

Judenchristen werden als solche bezeichnet, wenn sie ihre jüdischen Traditionen und Vorschriften wie die Beschneidung und die Speisegebote beibehielten. Sie behielten auch ihren jüdischen Glauben, der Jesus als den Messias erkannte, jedoch nicht verlangte Jesus als Gott, den Herrn anzubeten, sondern nur den einen ungeteilten Gott. Dies ist ein Unterschied zu den sich heute wieder stark auf den Juden Jesus beziehenden protestantischen freikirchlichen messianischen Juden oder Baptisten, die Judenmission betreiben. Diese heutigen „Judenchristen“ beten Jesus als Gott an.




1 Kommentar:

  1. ....ausnahmsweise ein Stück aus einer persönlichen Mail an Nureddin:

    Vielleicht kann ich an dieser Stelle mit dem Buckel auf das hinweisen, was für mich je länger ich lebe je mehr zum tiefsten Geheimnis der Bibel zählt. Es ist ein Gedanke, der ursprünglich ausgedrückt worden ist in den Worten des Propheten Jesaja, um das Jahr 650 vor Christus herum. Jesaja hat in einer Vision eine häßliche Gestalt gesehen und darüber geschrieben:

    „Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet. […] Wir hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre.“

    Jesaja nennt diese Gestalt den „Knecht Gottes“. Die Juden haben verschiedene Interpretationen darüber, wer er ist. Eine davon ist: es ist das gesamte Volk Israel. Deutlich ist, daß mit dem Knecht Gottes ein neuer Weg in die Welt kommt, wie Menschen heil werden und Frieden finden können:

    „Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“

    Durch seine Wunden sind wir geheilt! Das ist ein Goldschatz im Herzen jedes Christen. Es gibt eine letzte große Opfertat, mehr als jedes Tieropfer – und im Ergebnis bin ich meinen Buckel los.

    Soviel zum Buckel – noch kurz zu „Menschensohn“. Auch wenn das Wort rätselhaft ist und bleibt, einen Gegensatz zu „Gottessohn“ bildet es nicht. Im Gegenteil, es geht auf eine Prophezeiung des Propheten Daniel zurück

    „Ich sah in diesem Gesicht in der Nacht, und siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn und gelangte zu dem, der uralt war, und wurde vor ihn gebracht. Der gab ihm Macht, Ehre und Reich, dass ihm alle Völker und Leute aus so vielen verschiedenen Sprachen dienen sollten. Seine Macht ist ewig und vergeht nicht, und sein Reich hat kein Ende“

    Es kommt also jemand vom Himmel, aber er hat menschliche Züge. Daß eine solche Gestalt Realität werden kann, ist ebenfalls Kern christlichen (und auch jüdischen) Denkens.

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