Dienstag, 16. November 2010

Marga Behrend zu Judas und Pilatus




Jesus wusste sehr genau, dass Judas ihn nicht erkennen konnte als den erwarteten Messias. Trotzdem duldete er ihn unter seinen Jüngern. Judas ersehnte die Befreiung von dem Römischen Joch und nach allem was er an Wundern durch Jesus miterlebt hatte, hoffte er, dass Jesus eines Tages das Judäische Volk wie durch ein Wunder von den Römern befreien würde. Als er sah, dass Jesus nichts in dieser Richtung unternahm, dachte er sich, wenn er Jesus ein wenig in Bedrängnis brächte, dann würde dieser schon entsprechend handeln und das ersehnte Ziel, die Freiheit für sein Volk, würde sich herbeiführen lassen. Insofern trifft (aus meiner Sicht) Judas die geringste Schuld an dem schmerzlichen und schmachvollen Tod Jesu am Kreuz. Als Judas dann miterleben musste, was er da in Gang gebracht hatte erhängte er sich in seiner Verzweiflung.

Anders sieht es bei Pilatus aus. Er konnte keine Schuld an Jesus finden. Er war aber der Richter, der ein gerechtes Urteil aussprechen musste. Was hat ihn dazu veranlasst gegen seine Erkenntnis über die Unschuld Jesu zu handeln?

Pontius Pilatus war Römischer Prokurator über Judäa und dem Kaiser und Gott Tiberius in Rom verpflichtet. Nun hatte der Kaiser allen Prokuratoren innerhalb des weiträumigen Römischen Reiches geboten, einen Volksaufstand unbedingt zu unterbinden. Wenn ihm das nicht gelang, hätte es Pilatus das Amt in Judäa gekostet und eventuell wäre ihm auch noch Schlimmeres in Rom widerfahren.

Pilatus versuchte also, sich irgendwie aus dem Zwiespalt zwischen seinem Gewissen und der ihm drohenden Unbill Seitens des Kaisers herauszuwinden.

Jesus wurde vor Pilatus gebracht am Rüsttag auf das Paschafest. Es war üblich, dass sich die Juden an diesem Tage einen Verurteilten wünschen konnten, dass er frei gelassen würde. Pilatus hoffte, dass er sich durch diesen Brauch seiner Verantwortung, über Jesus ein Urteil sprechen zu müssen, entziehen konnte. Deshalb stellte er Barrabas, einen Voksaufrührer, der innerhalb eines kleineren Aufstandes Menschen getötet hatte, neben Jesus und rief dem Volk zu, sich einen von Beiden frei zu wünschen.

Da das Paschafest bevorstand wimmelte es in Jerusalem von Menschen. Eine große Menschenmenge war also dabei, über das Schicksal von Jesus und Barrabas zu entscheiden.

Pilatus sagte dem Volk über Jesus:"Ich finde keine Schuld an ihm." Wen soll ich euch frei geben?"

Die Schriftgelehrten, die sich schon lange in ihrer Eitelkeit gekränkt fühlten, weil Jesus ihnen immer wieder deutlich gemacht hatte, wie sie die Religion verwässert hatten, wiegelten das Volk auf und rieten dazu, sich Barrabas zu wünschen.

Die Mehrzahl der Menschen dort war nicht fähig, sich ein eigenes Urteil zu bilden und so vertrauten den Schriftgelehrten und wünschten sich Barrabas.

Pilatus spürte, wie aufgebracht die Menschenmenge wurde und dass es nicht mehr weit war bis zu einem Volksaufstand.

Pilatus fragte:"Was soll ich denn mit Jesus tun, was für ein Verbrechen hat er denn begangen?" Da schrien die Menschen:" "Ans Kreuz mit ihm!" Da ließ sich Pilatus Wasser bringen wusch sich die Hände und sagte:"Ich bin unschuldig am Blut dieses Menschen, das ist eure Sache!" Das Volk aber rief:"Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!" Darauf gab Pilatus Barrabas frei und gab den Befehl, Jesus zu geißeln und zu kreuzigen.

Als Jesus am Kreuz hing, war dort , wie es üblich war, geschrieben, weshalb er hingerichtet wurde. In Aramäisch, Latein und Griechisch stand dort zu lesen: Jesus von Nazareth, König der Juden.

Da gingen einge Hohepriester zu Pilatus und sagten, dass das falsch sei, er sei ja nicht König der Juden, sondern er habe behauptet, dass er der König der Juden sei. Aber Pilatus antwortete ihnen:"Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben" und ließ nichts ändern.

Als Jesus von Pilatus verhört wurde, fragte Pilatus: "Bist du der König der Juden?" und Jesus antwortete:"Du sagst es. Mein Reich ist nicht von dieser Welt".

Pilatus wusste also sehr genau, dass Jesus kein Aufrührer war. Als solchen hatten die Hohenpriester ihn an Pialtus ausgeliefert, denn das zog unweigerlich den Tod am Kreuz nach sich. Pilatus konnte Jesus höchstens für einen religiösen Spinner halten, aber auch das tat er nicht. Er war von Jesus tief beeindruckt und spürte, dass etwas Besonderes von Ihm ausging.

Aus meiner Sicht hat die Feigheit des Pilatus und die gekränkte Eilelkeit der Schriftgelehrten sowie die Unwissenheit des Volkes Jesus ans Kreuz gebracht. (mal ganz abgesehen davon, dass Ihm der Tod am Kreuz als Erlösungstat und als Beleg dafür, dass der Mensch auch im höchsten Schmerz zur Vergebung fähig ist, bestimmt war.)

So einfach konnte es sich Pilatus nicht machen, dass er seine Hände in Unschuld wusch, das nahm noch nicht die Verantwortung von seinen Schultern. Auch dass er die Inschrift auf dem Kreuz nicht ändern wollte, zeigt noch einmal, dass er sich wohl bewusst war, einen Unschuldigen hingerichtet zu haben.

Was können wir daraus lernen?

Feigheit (Pilatus)
Hinterhätigkeit (Schriftgelehrten)
Dummheit und Unwissenheit (Das Volk an diesem Tage in Jerusalem)

zusammengenommen können die schrecklichsten Dinge bewirken.


So sollten wir an uns arbeiten und je nachdem wieviel oder wie wenig wir von diesen Dingen besitzen, sollten wir sie durch die entsprechenden Tugenden ersetzen.

So wie es in der Physik keine leren Räume gibt, gibt es auch in der Psyche des Menschen keine leeren Räume. Deshalb kann der Mensch eine schlechte Eigenschaft nicht einfach vertreiben, sondern er muss sie durch die zugehörige Tugend ersetzen.

Feigheit – Mut
Hinterhältigkeit – Wahrhaftigkeit
Dummheit und Unwissenheit – Das Erwerben von Wissen und das Üben seiner Intelligenz.



Montag, 1. November 2010

Fragen von Nureddin




Nureddin hat mir nach Fertigstellung seines letzten Blogeintrags noch einige Fragen geschickt, auf die ich nach und nach noch eingehen will. Seine erste Frage ist:

Wieso wird die Bibel als Gottes Wort verstanden, wenn Jesus (Friede sei mit ihm) nicht direkt einen Einfluß darauf hatte?

Mein sehr konservativer Vater hat immer geglaubt, daß jeder einzelne Schritt bis zur Fertigstellung der Bibel unmittelbar von Gott geleitet wurde. Für ihn war die Bibel deshalb Gottes Wort, weil sie Gottes Willen entsprach, und deshalb war sie für ihn (wie für Dich, Nureddin der Koran) auch wirklich buchstäblich wahr. Ich habe um das Jahr 1970 nächtelang erbittert mit meinem Vater diskutiert, weil ich es anders glaubte.

Mittlerweile haben viele konservative Ausleger die kritischen Methoden der modernen Historiker akzeptiert. Der Papst gehört zu ihnen und sagt auf Seite 17 seines Jesusbuches, er habe dieses Buch nicht gegen die moderne Exegese geschrieben, sondern in großer Dankbarkeit für das viele, was sie uns geschenkt hat und schenkt.

Nach der modernen Exegese ist es bei der Entstehung der Bibel durchaus menschlich zugegangen. Es wurden Fehler gemacht, es gingen Manuskripte verloren, es mußten menschliche Entscheidungen für und gegen die Aufnahme verschiedener Bücher in den Kanon, wie man das Ganze nennt, getroffen werden.

Was hält das Ganze trotzdem zusammen? Für mich ist es der Gesamteindruck, der im Kopf und Herzen eines Gläubigen entsteht, wenn er sich lange mit den einzelnen Teilen beschäftigt hat. Er erkennt zwar eine gewisse Spannweite an Unterschieden, er scheidet das eine oder andere sogar für sich persönlich aus, aber er sieht insgesamt einen großen zusammenhängenden Strom an Gedanken des Glaubens, der ihn am Ende überzeugt und seinen Glauben in starkem Maße fördert.

Ist dieser Strom noch Gottes Wort? Ich mache ein gedankliches Experiment: Nureddin, nimm einmal an, wir beide seien auf einer einsamen Insel, ohne Bücher, ohne Anschluß an moderne Medien, und ich sei ein religiös vollkommen ungebildeter Mann. Nun erzählst Du mir über Jahre von Deinem Glauben (ohne mir einzelne Stellen des Korans wörtlich sagen zu können, die hättest Du vergessen), und ich nehme diesen Glauben am Ende an. Bin ich ohne ein echtes Wort Gottes schlechter gebildet, als einer, der parallel einen entsprechenden Kurs an der ehrwürdigen Al-Azhar-Universität in Kairo gemacht und Arabisch, den Koran und vieles andere gelernt und die heiligen Schriften im Original studiert hat?

Bei uns Christen ist die Antwort: nein, eher im Gegenteil. Wir lieben das persönliche, mit den Fehlern des Lehrers durchsetzte, aber durch das Leben des Lehrers glaubwürdig gemachte Wissen. An der Uni lernt man im Gegensatz dazu sozusagen klinisch sauberen aber oft toten Wikipedia-Stoff.

Ich bin im harten Ringen mit meinem Vater zu der Überzeugung gekommen, daß die Lehre von der Menschwerdung Gottes und der Menschlichkeit seines Wortes zusammengehören und daß beide diesen einen Zweck haben: Göttliches und Menschliches zu einer Symbiose zu bringen. Gedanklich ist das eigentlich fast unmöglich, zu groß ist die Differenz, aber Gott kann und will sie überwinden, aus Liebe zu den Menschen.

Als Ergebnis dieser göttlichen Menschlichkeit entsteht ein lebendiger, am menschlichen Alltag und an den realen Bedingungen der menschlichen Existenz orientierter Glaube. Das ist mein Glaube.