Dienstag, 16. November 2010

Marga Behrend zu Judas und Pilatus




Jesus wusste sehr genau, dass Judas ihn nicht erkennen konnte als den erwarteten Messias. Trotzdem duldete er ihn unter seinen Jüngern. Judas ersehnte die Befreiung von dem Römischen Joch und nach allem was er an Wundern durch Jesus miterlebt hatte, hoffte er, dass Jesus eines Tages das Judäische Volk wie durch ein Wunder von den Römern befreien würde. Als er sah, dass Jesus nichts in dieser Richtung unternahm, dachte er sich, wenn er Jesus ein wenig in Bedrängnis brächte, dann würde dieser schon entsprechend handeln und das ersehnte Ziel, die Freiheit für sein Volk, würde sich herbeiführen lassen. Insofern trifft (aus meiner Sicht) Judas die geringste Schuld an dem schmerzlichen und schmachvollen Tod Jesu am Kreuz. Als Judas dann miterleben musste, was er da in Gang gebracht hatte erhängte er sich in seiner Verzweiflung.

Anders sieht es bei Pilatus aus. Er konnte keine Schuld an Jesus finden. Er war aber der Richter, der ein gerechtes Urteil aussprechen musste. Was hat ihn dazu veranlasst gegen seine Erkenntnis über die Unschuld Jesu zu handeln?

Pontius Pilatus war Römischer Prokurator über Judäa und dem Kaiser und Gott Tiberius in Rom verpflichtet. Nun hatte der Kaiser allen Prokuratoren innerhalb des weiträumigen Römischen Reiches geboten, einen Volksaufstand unbedingt zu unterbinden. Wenn ihm das nicht gelang, hätte es Pilatus das Amt in Judäa gekostet und eventuell wäre ihm auch noch Schlimmeres in Rom widerfahren.

Pilatus versuchte also, sich irgendwie aus dem Zwiespalt zwischen seinem Gewissen und der ihm drohenden Unbill Seitens des Kaisers herauszuwinden.

Jesus wurde vor Pilatus gebracht am Rüsttag auf das Paschafest. Es war üblich, dass sich die Juden an diesem Tage einen Verurteilten wünschen konnten, dass er frei gelassen würde. Pilatus hoffte, dass er sich durch diesen Brauch seiner Verantwortung, über Jesus ein Urteil sprechen zu müssen, entziehen konnte. Deshalb stellte er Barrabas, einen Voksaufrührer, der innerhalb eines kleineren Aufstandes Menschen getötet hatte, neben Jesus und rief dem Volk zu, sich einen von Beiden frei zu wünschen.

Da das Paschafest bevorstand wimmelte es in Jerusalem von Menschen. Eine große Menschenmenge war also dabei, über das Schicksal von Jesus und Barrabas zu entscheiden.

Pilatus sagte dem Volk über Jesus:"Ich finde keine Schuld an ihm." Wen soll ich euch frei geben?"

Die Schriftgelehrten, die sich schon lange in ihrer Eitelkeit gekränkt fühlten, weil Jesus ihnen immer wieder deutlich gemacht hatte, wie sie die Religion verwässert hatten, wiegelten das Volk auf und rieten dazu, sich Barrabas zu wünschen.

Die Mehrzahl der Menschen dort war nicht fähig, sich ein eigenes Urteil zu bilden und so vertrauten den Schriftgelehrten und wünschten sich Barrabas.

Pilatus spürte, wie aufgebracht die Menschenmenge wurde und dass es nicht mehr weit war bis zu einem Volksaufstand.

Pilatus fragte:"Was soll ich denn mit Jesus tun, was für ein Verbrechen hat er denn begangen?" Da schrien die Menschen:" "Ans Kreuz mit ihm!" Da ließ sich Pilatus Wasser bringen wusch sich die Hände und sagte:"Ich bin unschuldig am Blut dieses Menschen, das ist eure Sache!" Das Volk aber rief:"Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!" Darauf gab Pilatus Barrabas frei und gab den Befehl, Jesus zu geißeln und zu kreuzigen.

Als Jesus am Kreuz hing, war dort , wie es üblich war, geschrieben, weshalb er hingerichtet wurde. In Aramäisch, Latein und Griechisch stand dort zu lesen: Jesus von Nazareth, König der Juden.

Da gingen einge Hohepriester zu Pilatus und sagten, dass das falsch sei, er sei ja nicht König der Juden, sondern er habe behauptet, dass er der König der Juden sei. Aber Pilatus antwortete ihnen:"Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben" und ließ nichts ändern.

Als Jesus von Pilatus verhört wurde, fragte Pilatus: "Bist du der König der Juden?" und Jesus antwortete:"Du sagst es. Mein Reich ist nicht von dieser Welt".

Pilatus wusste also sehr genau, dass Jesus kein Aufrührer war. Als solchen hatten die Hohenpriester ihn an Pialtus ausgeliefert, denn das zog unweigerlich den Tod am Kreuz nach sich. Pilatus konnte Jesus höchstens für einen religiösen Spinner halten, aber auch das tat er nicht. Er war von Jesus tief beeindruckt und spürte, dass etwas Besonderes von Ihm ausging.

Aus meiner Sicht hat die Feigheit des Pilatus und die gekränkte Eilelkeit der Schriftgelehrten sowie die Unwissenheit des Volkes Jesus ans Kreuz gebracht. (mal ganz abgesehen davon, dass Ihm der Tod am Kreuz als Erlösungstat und als Beleg dafür, dass der Mensch auch im höchsten Schmerz zur Vergebung fähig ist, bestimmt war.)

So einfach konnte es sich Pilatus nicht machen, dass er seine Hände in Unschuld wusch, das nahm noch nicht die Verantwortung von seinen Schultern. Auch dass er die Inschrift auf dem Kreuz nicht ändern wollte, zeigt noch einmal, dass er sich wohl bewusst war, einen Unschuldigen hingerichtet zu haben.

Was können wir daraus lernen?

Feigheit (Pilatus)
Hinterhätigkeit (Schriftgelehrten)
Dummheit und Unwissenheit (Das Volk an diesem Tage in Jerusalem)

zusammengenommen können die schrecklichsten Dinge bewirken.


So sollten wir an uns arbeiten und je nachdem wieviel oder wie wenig wir von diesen Dingen besitzen, sollten wir sie durch die entsprechenden Tugenden ersetzen.

So wie es in der Physik keine leren Räume gibt, gibt es auch in der Psyche des Menschen keine leeren Räume. Deshalb kann der Mensch eine schlechte Eigenschaft nicht einfach vertreiben, sondern er muss sie durch die zugehörige Tugend ersetzen.

Feigheit – Mut
Hinterhältigkeit – Wahrhaftigkeit
Dummheit und Unwissenheit – Das Erwerben von Wissen und das Üben seiner Intelligenz.



Montag, 1. November 2010

Fragen von Nureddin




Nureddin hat mir nach Fertigstellung seines letzten Blogeintrags noch einige Fragen geschickt, auf die ich nach und nach noch eingehen will. Seine erste Frage ist:

Wieso wird die Bibel als Gottes Wort verstanden, wenn Jesus (Friede sei mit ihm) nicht direkt einen Einfluß darauf hatte?

Mein sehr konservativer Vater hat immer geglaubt, daß jeder einzelne Schritt bis zur Fertigstellung der Bibel unmittelbar von Gott geleitet wurde. Für ihn war die Bibel deshalb Gottes Wort, weil sie Gottes Willen entsprach, und deshalb war sie für ihn (wie für Dich, Nureddin der Koran) auch wirklich buchstäblich wahr. Ich habe um das Jahr 1970 nächtelang erbittert mit meinem Vater diskutiert, weil ich es anders glaubte.

Mittlerweile haben viele konservative Ausleger die kritischen Methoden der modernen Historiker akzeptiert. Der Papst gehört zu ihnen und sagt auf Seite 17 seines Jesusbuches, er habe dieses Buch nicht gegen die moderne Exegese geschrieben, sondern in großer Dankbarkeit für das viele, was sie uns geschenkt hat und schenkt.

Nach der modernen Exegese ist es bei der Entstehung der Bibel durchaus menschlich zugegangen. Es wurden Fehler gemacht, es gingen Manuskripte verloren, es mußten menschliche Entscheidungen für und gegen die Aufnahme verschiedener Bücher in den Kanon, wie man das Ganze nennt, getroffen werden.

Was hält das Ganze trotzdem zusammen? Für mich ist es der Gesamteindruck, der im Kopf und Herzen eines Gläubigen entsteht, wenn er sich lange mit den einzelnen Teilen beschäftigt hat. Er erkennt zwar eine gewisse Spannweite an Unterschieden, er scheidet das eine oder andere sogar für sich persönlich aus, aber er sieht insgesamt einen großen zusammenhängenden Strom an Gedanken des Glaubens, der ihn am Ende überzeugt und seinen Glauben in starkem Maße fördert.

Ist dieser Strom noch Gottes Wort? Ich mache ein gedankliches Experiment: Nureddin, nimm einmal an, wir beide seien auf einer einsamen Insel, ohne Bücher, ohne Anschluß an moderne Medien, und ich sei ein religiös vollkommen ungebildeter Mann. Nun erzählst Du mir über Jahre von Deinem Glauben (ohne mir einzelne Stellen des Korans wörtlich sagen zu können, die hättest Du vergessen), und ich nehme diesen Glauben am Ende an. Bin ich ohne ein echtes Wort Gottes schlechter gebildet, als einer, der parallel einen entsprechenden Kurs an der ehrwürdigen Al-Azhar-Universität in Kairo gemacht und Arabisch, den Koran und vieles andere gelernt und die heiligen Schriften im Original studiert hat?

Bei uns Christen ist die Antwort: nein, eher im Gegenteil. Wir lieben das persönliche, mit den Fehlern des Lehrers durchsetzte, aber durch das Leben des Lehrers glaubwürdig gemachte Wissen. An der Uni lernt man im Gegensatz dazu sozusagen klinisch sauberen aber oft toten Wikipedia-Stoff.

Ich bin im harten Ringen mit meinem Vater zu der Überzeugung gekommen, daß die Lehre von der Menschwerdung Gottes und der Menschlichkeit seines Wortes zusammengehören und daß beide diesen einen Zweck haben: Göttliches und Menschliches zu einer Symbiose zu bringen. Gedanklich ist das eigentlich fast unmöglich, zu groß ist die Differenz, aber Gott kann und will sie überwinden, aus Liebe zu den Menschen.

Als Ergebnis dieser göttlichen Menschlichkeit entsteht ein lebendiger, am menschlichen Alltag und an den realen Bedingungen der menschlichen Existenz orientierter Glaube. Das ist mein Glaube.



Montag, 25. Oktober 2010

Nureddin zu "Bis ans Ende der Welt"




Das Markusevangelium endet mit diesem Kapitel, und damit endet heute auch ein christlich-islamisches Projekt. Ein gläubiger Christ und ein gläubiger Muslim lesen gemeinsam die Bibel, mit viel Geduld und mit viel Respekt. Mir wurde es deutlich, wie ein frommes christliches Herz beim Lesen der Bibel, mit der Seele Jesu (Friede sei mit ihm) verschmilzt und wie das Evangelium seine Seele zu Gott bringt. Dieser Weg ist ein anderer als meiner, und ich vermag nicht Richter zu sein über den Weg, aber eins ist durch das Parallellesen der Bibel (wie zuvor des Koran) klar geworden: dass die Wege zu Gott so viele sind, wie die Atemzüge aller seiner Geschöpfe zusammen.

Die Bibel ist grundsätzlich anders aufgebaut als der Koran. Das Markusevangelium als ein Teil des Neuen Testaments ist wie der Rest eine Art Lebensgeschichte Jesu (FSMI). Die Bibel ist eher ein Buch mit Geschichten oder eine Art Geschichtsbuch. Der Koran hingegen hat zwar auch einige Geschichten, ist aber grundsätzlich anders aufgebaut. Er hat eine ganz andere Sprache, es geht ihm nicht hauptsächlich darum, Geschichten komplett wiederzugeben, sondern es scheint, dass es ihm vordringlich um die Pointe geht. Diese Pointe ist der Glaube an den einen, einzigen Schöpfer und das Leben nach dem Tod.

Die Bibel geht auch auf diese Themen ein, jedoch ist die Pointe nicht so klar wie im Koran, und sie lässt auch ein bestimmtes Resumé nicht zu. Die Gläubigen werden in ihrem Urteil etwas mehr allein gelassen, wohingegen das Urteil im Koran ganz klar und fest ist. Deim Lesen der Bibel wird auch deutlich, dass sie das ältere Werk ist, und dass sie ein Buch aus einer anderen Zeit ist als der Koran. Sie stellt andere Dinge wie etwa Heilunswirkungen stärker in Vordergrund als der Koran und ist sprachlich gesehen eher einfacher zu verstehen. Der Koran benutzt dagegen eine eher buntere Sprache und lässt Möglichkeiten zur Vielfalt im Nachdenken zu.

In beiden Büchern wird allerdings deutlich, dass sie keine einfachen Texte sind. Der Koran gibt Hinweise auf das Leben des Propheten, um das Verständnis zu erleichtern, das neue Testament dagegen
i s t das Leben Jesu (FSMI). Das ist für mich der markanteste Unterschied der beiden heiligen Bücher der Gläubigen. Beide lassen den Leser nur in sich hinein, wenn er viel Engagement und Freude mitbringt. Für die modern-hochmütigen, atheistisch angehauchten Menschen, die nicht den nötigen Respekt vor der Schrift aufbringen, sind die Texte recht schwer verdaubar.

An vielen Stellen habe ich den kritischen Blick der modernen Menschen vor Augen. Besonders im Alten Testament gibt es zahlreiche Stellen, die mit dem modernen Verständnis kollidieren könnten. Hier können etwa die Rolle der Frau, das Verhältnis zur Gewalt und die Gleichstellung der Völker zentrale Kritikpunkte darstellen. Im neuen Testament gibt es dagegen insgesamt einen anderen Unterton, der mit dem gewaltfreien und friedlichen Leben Jesu (FSMI) zu erklären ist.

Jesus (FSMI) hat nur kurz gelebt, man spricht von etwa 33 Jahren. In dieser Zeit, hat er weder eine grosse Anhängerschaft gefunden, noch hat er ein einfaches Leben führen können. Er hat wie ein Engel gelebt und eisern das Wort Gottes verkündet. Mohammed (FSMI) hat länger gelebt (63 Jahre) und hat eine grössere Gruppe von Gläubigen um sich herum geschart. Er konnte heiraten, Kinder zeugen, Verteidigungskriege führen, einen Gottesstaat gründen. Er war insgesamt wie die Propheten vor Jesus (FSMI) uns ähnlicher, menschlich näher. Möglicherweise, hat die wundersame Geburt Jesu (FSMI), ohne einen Vater, diese menschliche Seite ein wenig beeinflusst. Er war sicher kein Gott oder Gottes Sohn, hatte aber etwas Niedagewesenes an sich, das ihn vor Heirat etc. fernhielt.

Als Resumé möchte ich als gläubiger Muslim sagen, dass das Studium des Markusevangeliums meinen Glauben insgesamt gestärkt hat. Ich habe erkannt, dass die Bibel ein lesenswertes Buch ist und für interkulturelle Menschen ein Muss darstellt. Das Leben Jesu (FSMI) ist für uns Muslime genau so wichtig wie für Christen, und wir müssen es lesen.

Das Neue Testament stellt dafür eine gute Möglichkeit dar. Allerdings müssen die Stellen, die mit dem Islam im Widerspruch stehen, kritisch differenziert werden. Hauptsächlich ist das die Lehre von der Trinität, die ja selbst unter Christen unterschiedlich verstanden wird. Trotzdem sollte der kritische Blick den muslimischen Leser nicht abschrecken, das Buch zu lesen. Ich habe durch das Studium mehr Möglichkeiten der Zusammenarbeit der Christen und Muslime gefunden als vorher.

Um nochmal auf die letzte Bibelstelle zu kommen und Christians Frage zu beantworten: die Geschichte wäre m.E. nicht anders verlaufen, wenn die Christen sich äußerlich anders gezeigt hätten, als der Prophet Mohammed (FSMI) ihnen begegnete. Denn es war von vorneherein klar, dass Mohammed (FSMI) als Siegel der Propheten zum Schluss der Zeit, als Ahmed (Aufklärer) kommen sollte und die Offenbarung Gottes komplettisieren sollte.

Die Propheten sind von Gott beauftragte Wesen. Sie handeln im Auftrage Gottes. Ihr unvergleichliches Leben und ihre leidenschaftliche Hingabe ist der Beweis für ihre Prophetenschaft. Für alle Propheten gelten diese uneigennützigen Eigenschaften, so auch die von Jesus und Mohammed (FSMI beiden). Mohammed (FSMI) hat mit dem Islam selbstverständlich keinen eigenmächtigen Protestzug gegen eine schwache Gruppe von syrischen Christen gestartet. Er ist mit dem Auftrag Gottes gekommen und unterstützt durch die Offenbarung des Koran, um die Religion zu vervollkommnen und um eine Reinigung vom Aberglauben durchzuführen und im Ergebnis die Menschen zum geraden Weg zu führen. Demnach ist Mohammed(FSMI) als letzter Prophet des selben, einen Gottes nicht nur der Prophet der Muslime, sondern auch der Prophet aller Menschen.

Gott spricht zu Mohammed (FSMI):

Dir zu Liebe habe ich das Universum erschaffen.

Wir Muslime glauben, dass Gott Mohammed (FSMI) als den ersten Menschen aus seinem eigenen Licht erschaffen hat. Aus dem Geist Mohammeds (FSMI) hat er die Materie und folglich die Sterne, die Erde, die anderen Propheten und auch uns geschaffen. Aus dem Geist Mohammeds (FSMI) ist alles im Universum erschaffen. Daher rührt die Sonderstellung Mohammeds (FSMI) unter den Propheten. Der Prozess des ersten fleischgewordenen Menschen, Adam (FSMI), spielt sich erst danach ab. Adam (FSMI) ist für die Muslime nicht nur der Vater aller Menschen, sondern auch ein Prophet.

Jeder vorausgehende Prophet hat seine Nachkommenschaft vorausgesagt. So hat auch Jesus (FSMI) das Kommen des Propheten Mohammed (FSMI) vorausgesagt. In der jetzigen Bibel wird an verschiedenen Stellen diese Botschaft deutlich. Im griechischen Urtext der Bibel taucht der Name Paraklet auf. Paraklet hat dieselbe Bedeutung wie das arabische Wort Ahmed, der ein Name des Propheten Mohammed (FSMI) ist und auch im Wort Mohammed, mit H-M-D vorkommt. Martin Luther hat das Wort Paraklet mit Tröster, den heiligen Geist, übersetzt.

In der Lutherbibel steht:

{Johannes.16,5-7}
5Nun aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand unter euch fragt mich: Wo gehst du hin? 6Sondern weil ich solches geredet habe, ist euer Herz voll Trauerns geworden. 7Aber ich sage euch die Wahrheit: es ist euch gut, daß ich hingehe. Denn so ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch; so ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.

{Johannes.14,16}
Und ich will den Vater bitten, und er soll euch einen andern Tröster geben, daß er bei euch bleibe ewiglich.

{Johannes.14,26}
Aber der Tröster, der Heilige Geist, welchen mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch erinnern alles des, das ich euch gesagt habe.

{Johannes.16,8-9}
8Und wenn derselbe kommt, wird er die Welt strafen um die Sünde und um die Gerechtigkeit und um das Gericht: 9um die Sünde, daß sie nicht glauben an mich;

{Johannes.15,22}
Wenn ich nicht gekommen wäre und hätte es ihnen gesagt, so hätten sie keine Sünde; nun aber können sie nichts vorwenden, ihre Sünde zu entschuldigen.

{Johannes.15,24}
Hätte ich nicht die Werke getan unter ihnen, die kein anderer getan hat, so hätten sie keine Sünde; nun aber haben sie es gesehen und hassen doch beide, mich und den Vater.

{Johannes.16,10}
um die Gerechtigkeit aber, daß ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht sehet;

{Apostelgeschichte.5,31}
Den hat Gott durch seine rechte Hand erhöht zu einem Fürsten und Heiland, zu geben Israel Buße und Vergebung der Sünden.

{Römer.4,25}
welcher ist um unsrer Sünden willen dahingegeben und um unsrer Gerechtigkeit willen auferweckt.

{Johannes.16,11}
um das Gericht, daß der Fürst dieser Welt gerichtet ist.

{Johannes.12,31}
Jetzt geht das Gericht über die Welt; nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden.

{Johannes.16,12}
Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht tragen.

{1 Korinther.3,1}
Und ich, liebe Brüder, konnte nicht mit euch reden als mit Geistlichen, sondern als mit Fleischlichen, wie mit jungen Kindern in Christo.

{Johannes.16,13}
Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht von sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkünden.

{Johannes.14,26}
Aber der Tröster, der Heilige Geist, welchen mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch erinnern alles des, das ich euch gesagt habe.

{1 Johannes.2,27}
Und die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, bleibt bei euch, und ihr bedürfet nicht, daß euch jemand lehre; sondern wie euch die Salbung alles lehrt, so ist's wahr und ist keine Lüge, und wie sie euch gelehrt hat, so bleibet bei ihm.

{Johannes.16,14-15}
Derselbe wird mich verklären; denn von dem Meinen wird er's nehmen und euch verkündigen. 15Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich euch gesagt: Er wird's von dem Meinen nehmen und euch verkündigen.

{Johannes.3,35}
Der Vater hat den Sohn lieb und hat ihm alles in seine Hand gegeben.

{Johannes.17,10}
Und alles, was mein ist, das ist dein, und was dein ist, das ist mein; und ich bin in ihnen verklärt.

Für die Judenchristen war diese Sicht eine Selbstverständlichkeit und sie haben auf das Kommen des Aufklärers, Paraklets, Ahmeds gewartet. Sie wurden allerdings von den griechisch-römisch beeinflussten Heidenchristen übertönt und der Glaube wurde ihnen aberkannt.

Nun, diese islamischen Folgerungen stehen gewiss im Widerspruch zu der aktuellen christlichen Sicht. Für sie ist der Paraklet der heilige Geist im Sinne des Dreifaltigkeitsglaubens, und von daher erwarte ich natürlich keine Übereinstimmung mit meinen christlichen Freunden. Ich denke aber, dass es den einen oder anderen geben wird, der darüber mutig nachdenkt. Mohammed (FSMI) ist wahrlich der Aufklärer, auf den die Menschen warten. Nur schade, dass die Menschen ihn nicht richtig kennen, sondern vielfach kitschige Klischees das falsche Bild des kriegerischen, polygamen Barbaren bestimmen lassen.

Dabei ist alles so deutlich. Kein anderer, als Mohammed (FSMI), hat nach Jesus (FSMI) die tiefe Wirkung der selben Quelle so zum Ausdruck gebracht. Kein anderer hat sich auf Jesus (FSMI) bezogen, kein anderer hat den Monotheismus gepriesen. Kein anderer ist nach Jesus (FSMI) gekommen und keine Religion wächst, wie der Islam. Der Islam ist für die Welt keine fremde Religion, nicht fremder als das Judentum oder das Christentum. Ich weiß, dass meine christlichen Freunde anders darüber denken, aber dass sie dieser islamischen Sicht mit Geduld und Respekt begegnen werden.



Samstag, 23. Oktober 2010

Bis ans Ende der Welt





Und er sprach zu ihnen: Geht hin in die ganze Welt und predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung! Wer gläubig geworden und getauft worden ist, wird errettet werden; wer aber ungläubig ist, wird verdammt werden. Diese Zeichen aber werden denen folgen, die glauben: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; sie werden in neuen Sprachen reden, werden Schlangen aufheben, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden; Schwachen werden sie die Hände auflegen, und sie werden sich wohl befinden.

Der Herr wurde nun, nachdem er mit ihnen geredet hatte, in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes. Jene aber zogen aus und predigten überall, während der Herr mitwirkte und das Wort durch die darauf folgenden Zeichen bestätigte.

(Kapitel 16, 15 – 20, Ende des Buches)



Man wünschte sich an dieser Stelle noch einen längeren Bericht über die letzten Stunden, die Jesus mit seinen Jüngern auf der Erde verbracht hat. Tatsächlich berichten alle anderen Evangelisten ausführlicher über diesen nach dem Glauben der Christen wichtigsten Abschied der Weltgeschichte.

Was hat damals ein Christ, der ohne das komplette Neue Testament und nur mit dem kurzen Markusevangelium in der Tasche im Glauben heranwachsen mußte, aus diesen wenigen Zeilen gelesen? Ich vermute: die große Verheißung, nun selbst mit Zeichen und Wundern ausgestattet bis ans Ende der Welt gehen zu können und sich vor nichts fürchten zu müssen. Nach vielen antiken Berichten ist es ja genau das gewesen, was die anderen Menschen an den Christen überzeugend gefunden haben: ihre Unerschrockenheit, mit der sie bis zum Tod an ihrem Glauben festgehalten haben.

Sechs Jahrhunderte später muß der Prophet Mohammed in Mekka die Reste einer aus Syrien stammende Kirche kennengelernt haben. Man darf annehmen, daß diese Kirche die Kraft verloren hatte, ihren Glauben so zu leben, daß er mit Wundern und Zeichen verbunden war. Mohammed hat nichts Attraktives mehr an ihr gefunden und bekanntlich ihren Glauben verworfen, wonach Jesus sich zur Rechten Gottes gesetzt hat. Wäre die Geschichte anders verlaufen, wenn die Zeichen geblieben wären?



Donnerstag, 21. Oktober 2010

Nureddin zu "Neues Leben"




Jesus (Friede sei mit ihm) ist nach islamischem Glauben nicht gestorben. Folglich kann er nicht zum Leben wiedererweckt worden sein. Ich werde an dieser Stelle aber nicht darauf eingehen, ob jemand und wer statt Jesus (FSMI) beigesetzt worden ist, auch nicht auf die Reaktion der Jünger. Ich möchte nur soviel sagen, dass ihre ungläubige Reaktion nicht in ein Bild passt mit dem, was sie bereits über ihren Meister oder Lehrer aus eigener Erfahrung wissen. Vielleicht wollte Markus hier die tiefe Wirkung des Wunders noch einmal deutlich hervorheben.

An dieser Stelle geht es mir vorrangig darum, die Freude mit meinen christlichen Freunden zu teilen, so wie manche Christen die Freude über Dinge, die den Muslimen wichtig sind, mit ihren muslimischen Freunden teilen.

In den Tagen der aktuellen Debatten, in denen die Muslime Europas diese Freundlichkeit leider eher zu wenig zu sehen bekommen, und in denen ihre Religion öffentlich und gefährlich diffamiert wird, will ich mich dennoch und erst recht bemühen, am Beispiel des Symbols des Kreuzes für Christen, für die hier aus dem Schlechten schließlich das Gute wird, dieses Gute zu sehen und teile ihre Freude über Jesu (FSMI) Wiedererweckung. Jede Geburt geht mit Wehen einher.

Menschen des Dialoges sind interkulturell denkende Menschen. Als solche stehen sie mit einem Bein fest in ihrem Glauben und kreisen mit dem anderen um ihre Achse, und zwar so weit sie kommen. Wichtig ist dabei, weder das eine noch das andere Bein so sehr zu bevorzugen, dass man an dem einem oder anderen Punkt stehenbleibt. Dieses Bild von den beiden Beinen stammt von dem islamischen Gelehrten Mevlana Rumi, der den Zusatznamen Rumi dafür erhielt, dass er als Muslim in einem christlichen Umfeld freundschaftlich gelebt und von den Christen sehr geschätzt wurde und schließlich diesen Namen Rumi (der Römer) erhielt. Auch wir müssen hier und heute Rumis sein, als gegenwärtige Rumis, in einer säkular-christlichen Umgebung und auch in einer atheistisch beeinflussten Umgebung.

Was die Wunder angeht, so stellen sie für uns Muslime kaum ein Problem dar, weniger als vielleicht für manchen Christen. Wie ich bereits öfter erwähnt habe, denken wir als Muslime: wer in der Lage ist, die Natur von Null auf zu erschaffen, der wird erst Recht in der Lage sein, die Wunder als im Verhältnis dazu simplen Phänomene zu erschaffen.

Meiner Meinung nach, machen die Naturalisten den Fehler, dass sie der menschlichen Intelligenz zu sehr vertrauen. Die göttliche Intelligenz liegt hoch über der menschlichen, und vieles kann durch die menschliche Intelligenz gar nicht erklärt und mit dem menschlichen Auge auch nicht gesehen werden. Schaut man sich das Verhältnis Mensch und Universum an, wird der Unterschied von Mensch und Gott deutlich. Was hinter dem Universum ist, ist ein weiteres Rätsel und wird ungelöst für alle Menschen bleiben, wenn sie sich nicht den Glauben an einen Schöpfer haben. Ohne einen Glauben ist alles Wissen eine Ansammlung von Nullen. Erst durch den Glauben an einen Gott bekommt die Ansammlung von Nullen eine Eins vorgesetzt und alles bekommt wieder einen Sinn.



Mittwoch, 20. Oktober 2010

Neues Leben




Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. Und sie kommen sehr früh am ersten Wochentag zu der Gruft, als die Sonne aufgegangen war. Und sie sprachen zueinander: Wer wird uns den Stein von der Tür der Gruft wegwälzen? Und als sie aufblickten, sehen sie, daß der Stein zurückgewälzt ist; er war nämlich sehr groß. Und als sie in die Gruft eintraten, sahen sie einen jungen Mann zur Rechten sitzen, bekleidet mit einem weißen Gewand, und sie entsetzten sich. Er aber spricht zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus, den Nazarener, den Gekreuzigten. Er ist auferweckt worden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hingelegt hatten. Aber geht hin, sagt seinen Jüngern und Petrus, daß er euch nach Galiläa vorausgeht! Dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Und sie gingen hinaus und flohen von der Gruft. Denn Zittern und Bestürzung hatte sie ergriffen, und sie sagten niemand etwas, denn sie fürchteten sich.

Als er aber früh am ersten Wochentag auferstanden war, erschien er zuerst der Maria Magdalena, von der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte. Die ging hin und verkündete es denen, die mit ihm gewesen waren und trauerten und weinten. Und als jene hörten, daß er lebe und von ihr gesehen worden sei, glaubten sie nicht. Danach aber offenbarte er sich zweien von ihnen in anderer Gestalt unterwegs, als sie aufs Land gingen. Und jene gingen hin und verkündeten es den übrigen; auch jenen glaubten sie nicht. Nachher offenbarte er sich den Elfen selbst, als sie zu Tisch lagen, und schalt ihren Unglauben und ihre Herzenshärtigkeit, daß sie denen, die ihn auferweckt gesehen, nicht geglaubt hatten.


(Kapitel 16, 1 – 14)


Auch dieses Kapitel wird kaum ein Moslem lesen, ohne als erstes grundlegende Zweifel anzumelden. Und trotzdem – sieht er die Freude, mit der sein christlicher Nachbar oder Freund das alles liest? Kann er sich unter Umständen selbst daran freuen?

Selbst wenn er die Empfindungen der Christen nicht teilen kann, so kann er doch immerhin etwas über den christlichen Glauben lernen: der speziell christliche Auferstehungsglaube, der an diesem Tag, dem ersten Tag der Woche nach Passah, dem Sonntag, den die Christen später heilig gemacht haben, vor dem Grab Jesu erstmals entsteht, ist von Anfang an ein angefochtener Glaube. Der Tod Jesu und sein neues Leben sind selbst seinen engsten Vertrauten zunächst unerklärlich und fremd.

Eine gute christliche Tradition hat daraus die Folgerung gezogen und hochgehalten, daß wir Menschen blind für Gott sind und es selbst dann noch zu einem guten Teil bleiben, wenn wir glaubende Menschen werden. Im Propheten Jesaja heißt es (Kapitel 55,8)

Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken,
und eure Wege sind nicht meine Wege,
spricht JHWH.

Das soll uns nicht unsicher machen in Bezug auf das, was wir von Gott wissen können. Aber bescheiden.



Dienstag, 19. Oktober 2010

Marga Behrend zu "Das Kreuz Jesu"




Lieber Christian, lieber Nureddin,

im Folgenden möchte ich etwas ganz und gar Privates, Persönliches zum Kreuz Jesu erzählen. Erst anschließend will ich mich dann theologisch dazu äußern.

Wenn jemand zum ersten Mal davon hört, dass ein Religionsstifter auf eine qualvolle und, nach damaligem Brauch, schmachvolle Weise zu Tode gebracht wurde, dann kann er das gar nicht glauben. Das leuchtet mir ein. Ich möchte jetzt erzählen, dass es auch für einen Christenmenschen sehr schwierig ist, die Kreuzigung anzuerkennen.

Ich bin ein einem Elternhaus aufgewachsen, das gegen alles Religiöse eingestellt war und deshalb hörte ich den Namen „Jesus“ zum allerersten Mal im Religionsunterricht in der Schule im Alter von 7 Jahren, und er fiel mir augenblicklich mitten ins Herz. Was Karfreitag bedeutet, wurde aber erst in späteren Schuljahren unterrichtet, so dass ich schon 10 Jahre alt war, als ich zum ersten Mal etwas über die Kreuzigung hörte. Ich nahm das hin, wie ich alles hinnahm. Ich bin mitten in den Greueln des 2. Weltkrieges aufgewachsen und da gab es überhaupt kein anderes Mittel, die Dinge zu ertragen, als alles hinzunehmen. Niemals hätte ich meine Eltern damals betrüben wollen mit Fragen, warum alles so ist, wie es ist. Jedes Jahr am Karfreitag, dem Tag der Kreuzigung Jesu, war ich traurig. Da meine Eltern über nichts Religiöses sprechen wollten, blieb ich mit meinem Kummer, auch mit meinen religiösen Aktivitäten, also hauptsächlich Gebeten, völlig allein.

Als ich mit 22 Jahren heiratete, konnte ich auch mit meinem Mann nicht darüber sprechen. Auch er hatte sich im Zorn von der Kirche abgewandt. So ging es mir in Fleisch und Blut über, niemals über etwas Religiöses zu sprechen. Meine Liebe zu Jesus vertiefte sich aber immer mehr, je älter ich wurde.

Als ich 46 Jahre alt war sah ich jeden Morgen beim Frühstück Jesus am Kreuz leiden und ich weinte bitterlich. Das dauerte vier Monate und danach verschwand es, so wie es gekommen war. Mit dieser Qual, die ich da mit Jesus miterlebte, wollte ich nichts zu tun haben. Er sollte nicht meinetwegen ans Kreuz geschlagen sein. Nein, auf gar keinen Fall!!!!

Als ich 67 Jahre alt war, las ich die Vorlesungen von Joseph Ratzinger, dem jetzigen Papst Benedikt XVI., und während des Lesens hörte ich plötzlich eine Stimme in meinem Innern. Sie sprach: Die Menschheit ist ein Wesen. So wie das Minaralreich, das Pflanzenreich und das Tierreich, jedes für sich betrachtet, auch ein Wesen ist. Die Menschheit wird eines Tages insgesamt erlöst sein, also den Weg ins Paradies, oder wie immer man das nennen will, wieder zurück gefunden haben. Da Du in diesem Leben als Christin aufgewachsen bist und Dich mit dem Christentum beschäftigt hast, besteht Dein Erlösungsweg darin, dass Du Jesus nachfolgst. Klammerst Du etwas aus dem Erlösungsweg aus, zum Beispiel die Kreuzigung, dann hältst Du alle Menschen, denen es bestimmt ist, auf diesem Erlösungsweg voranzukommen, auf.

Was für ein Wort! Nein, das wollte ich natürlich auch nicht, die Menschheit insgesamt aufhalten, wenn sie unterwegs war heim zu Gott. Schließlich nach längerer Zeit rang ich mich dazu durch, die Kreuzigung auch für meine Person in Anspruch zu nehmen und ich dankte Jesus, dass er auch für mich durch dieses qualvolle Todestor gegangen war.

Nach einiger Zeit begriff ich, warum zwischen dieser schmerzvollen Vision und der inneren Stimme so viele Jahre hatten liegen müssen, immerhin 21 Jahre. Ich erklärte es mir so: Das Herz musste nach diesem schrecklichen Leiden erst einmal wieder zur Ruhe kommen, bevor der Verstand in der Lage war, in dieser Angelegenheit etwas aufnehmen zu können, und ich könnte mir denken, dass es sich beim Menschen generell so verhält. Erst wenn das Herz alles verwunden hat, ist der Verstand wieder ansprechbar.

Und dann geschah ein Drittes. Als Joseph Ratzinger Papst geworden war, also Benedikt XVI. wurde der Kreuzweg in Rom zum ersten Mal auch im deutschen Fernsehen übertragen. Da gehen Menschen an allen Passionsorten, die als überlebensgroße Gemälde an den Seiten des Weges stehen, vorbei und zu jedem Passionsort wird ein Text gesprochen. Der Papst trug vorweg den Kreuzstab und man konnte ihn immer gut sehen. An einer Stelle des Kreuzweges begann ich zu weinen und ich sah, wie Benedikt XVI. sein Taschentuch aus dem Ärmel zog. Die Kamera schwenkte dann zur Seite, aber ich war mir sicher, dass auch er weinte. Es war die Stelle, als Jesus vom Kreuz abgenommen war und seiner Mutter Maria in den Schoß gelegt wurde. Der Kreuzweg war bald danach zu Ende. Der Papst sprach noch einige Worte zu den tausenden Gläubigen, die ihm zujubelten.

Da empfand ich es zum ersten Mal, wie tröstlich und hilfreich es sein kann, im Schmerz einen Gefährten zu haben.

Seitdem bin ich immer noch traurig am Karfreitag, aber niemals mehr so sehr, wie ich es früher gewesen war.

So weit mein persönliches Erleben.



Jetzt möchte ich noch schreiben:

Das Kreuzsymbol aus theologischer Sicht

Lieber Nureddin, Du sagst, dass es Dir nicht einleuchtet, warum die Christen für ihr Glaubensleben das Kreuz zum Symbol erwählt haben.

Das Kreuz enthält aber tatsächlich die ganze Essenz des Christentums. Jesus brachte eine Aufgabe zum Abschluss, als er sich widerstandslos hinrichten ließ und um Vergebung seinen Peinigern gegenüber rang. Er hat sich dazu durchgerungen und verlangt das auch von uns. „Folge mir nach“ heißt, verwandelt eure Untugenden in Tugenden, ersetzt die Eifersucht durch die Großmut, den Geiz durch die Mildtätigkeit, den Neid durch Zufriedenheit usw. Jesus hat also das Kreuz, das bei den Römern ein Zeichen der Schmach war, denn kein Bürger des Römischen Reiches durfte gekreuzigt werden, das wäre eine Demütigung für das gesamte Römische Reich gewesen, also Jesus hat das Kreuz der Schmach in das Kreuz des Sieges verwandelt und auch wir sind aufgerufen, unsere Untugenden durch Tugenden zu ersetzen, denn man kann nichts wegwerfen, wenn man es nicht durch etwas anderes ersetzt. Ja, das Kreuz ist das Symbol für den Sieg, den jeder in seinem Innersten über seine Schwächen erringen soll und wenn er das Kreuz beispielsweise am Hals trägt und an sich selbst intensiv arbeitet, wird ihn dieses Symbol bei dieser Arbeit ein wenig unterstützen.

So viel für heute. Gerne würde ich noch über Pilatus und über Judas schreiben, die sogar von den Christen oft missverstanden werden. Wenn das gewünscht wird, kann ich es ein anderes Mal tun.