Montag, 25. Oktober 2010

Nureddin zu "Bis ans Ende der Welt"




Das Markusevangelium endet mit diesem Kapitel, und damit endet heute auch ein christlich-islamisches Projekt. Ein gläubiger Christ und ein gläubiger Muslim lesen gemeinsam die Bibel, mit viel Geduld und mit viel Respekt. Mir wurde es deutlich, wie ein frommes christliches Herz beim Lesen der Bibel, mit der Seele Jesu (Friede sei mit ihm) verschmilzt und wie das Evangelium seine Seele zu Gott bringt. Dieser Weg ist ein anderer als meiner, und ich vermag nicht Richter zu sein über den Weg, aber eins ist durch das Parallellesen der Bibel (wie zuvor des Koran) klar geworden: dass die Wege zu Gott so viele sind, wie die Atemzüge aller seiner Geschöpfe zusammen.

Die Bibel ist grundsätzlich anders aufgebaut als der Koran. Das Markusevangelium als ein Teil des Neuen Testaments ist wie der Rest eine Art Lebensgeschichte Jesu (FSMI). Die Bibel ist eher ein Buch mit Geschichten oder eine Art Geschichtsbuch. Der Koran hingegen hat zwar auch einige Geschichten, ist aber grundsätzlich anders aufgebaut. Er hat eine ganz andere Sprache, es geht ihm nicht hauptsächlich darum, Geschichten komplett wiederzugeben, sondern es scheint, dass es ihm vordringlich um die Pointe geht. Diese Pointe ist der Glaube an den einen, einzigen Schöpfer und das Leben nach dem Tod.

Die Bibel geht auch auf diese Themen ein, jedoch ist die Pointe nicht so klar wie im Koran, und sie lässt auch ein bestimmtes Resumé nicht zu. Die Gläubigen werden in ihrem Urteil etwas mehr allein gelassen, wohingegen das Urteil im Koran ganz klar und fest ist. Deim Lesen der Bibel wird auch deutlich, dass sie das ältere Werk ist, und dass sie ein Buch aus einer anderen Zeit ist als der Koran. Sie stellt andere Dinge wie etwa Heilunswirkungen stärker in Vordergrund als der Koran und ist sprachlich gesehen eher einfacher zu verstehen. Der Koran benutzt dagegen eine eher buntere Sprache und lässt Möglichkeiten zur Vielfalt im Nachdenken zu.

In beiden Büchern wird allerdings deutlich, dass sie keine einfachen Texte sind. Der Koran gibt Hinweise auf das Leben des Propheten, um das Verständnis zu erleichtern, das neue Testament dagegen
i s t das Leben Jesu (FSMI). Das ist für mich der markanteste Unterschied der beiden heiligen Bücher der Gläubigen. Beide lassen den Leser nur in sich hinein, wenn er viel Engagement und Freude mitbringt. Für die modern-hochmütigen, atheistisch angehauchten Menschen, die nicht den nötigen Respekt vor der Schrift aufbringen, sind die Texte recht schwer verdaubar.

An vielen Stellen habe ich den kritischen Blick der modernen Menschen vor Augen. Besonders im Alten Testament gibt es zahlreiche Stellen, die mit dem modernen Verständnis kollidieren könnten. Hier können etwa die Rolle der Frau, das Verhältnis zur Gewalt und die Gleichstellung der Völker zentrale Kritikpunkte darstellen. Im neuen Testament gibt es dagegen insgesamt einen anderen Unterton, der mit dem gewaltfreien und friedlichen Leben Jesu (FSMI) zu erklären ist.

Jesus (FSMI) hat nur kurz gelebt, man spricht von etwa 33 Jahren. In dieser Zeit, hat er weder eine grosse Anhängerschaft gefunden, noch hat er ein einfaches Leben führen können. Er hat wie ein Engel gelebt und eisern das Wort Gottes verkündet. Mohammed (FSMI) hat länger gelebt (63 Jahre) und hat eine grössere Gruppe von Gläubigen um sich herum geschart. Er konnte heiraten, Kinder zeugen, Verteidigungskriege führen, einen Gottesstaat gründen. Er war insgesamt wie die Propheten vor Jesus (FSMI) uns ähnlicher, menschlich näher. Möglicherweise, hat die wundersame Geburt Jesu (FSMI), ohne einen Vater, diese menschliche Seite ein wenig beeinflusst. Er war sicher kein Gott oder Gottes Sohn, hatte aber etwas Niedagewesenes an sich, das ihn vor Heirat etc. fernhielt.

Als Resumé möchte ich als gläubiger Muslim sagen, dass das Studium des Markusevangeliums meinen Glauben insgesamt gestärkt hat. Ich habe erkannt, dass die Bibel ein lesenswertes Buch ist und für interkulturelle Menschen ein Muss darstellt. Das Leben Jesu (FSMI) ist für uns Muslime genau so wichtig wie für Christen, und wir müssen es lesen.

Das Neue Testament stellt dafür eine gute Möglichkeit dar. Allerdings müssen die Stellen, die mit dem Islam im Widerspruch stehen, kritisch differenziert werden. Hauptsächlich ist das die Lehre von der Trinität, die ja selbst unter Christen unterschiedlich verstanden wird. Trotzdem sollte der kritische Blick den muslimischen Leser nicht abschrecken, das Buch zu lesen. Ich habe durch das Studium mehr Möglichkeiten der Zusammenarbeit der Christen und Muslime gefunden als vorher.

Um nochmal auf die letzte Bibelstelle zu kommen und Christians Frage zu beantworten: die Geschichte wäre m.E. nicht anders verlaufen, wenn die Christen sich äußerlich anders gezeigt hätten, als der Prophet Mohammed (FSMI) ihnen begegnete. Denn es war von vorneherein klar, dass Mohammed (FSMI) als Siegel der Propheten zum Schluss der Zeit, als Ahmed (Aufklärer) kommen sollte und die Offenbarung Gottes komplettisieren sollte.

Die Propheten sind von Gott beauftragte Wesen. Sie handeln im Auftrage Gottes. Ihr unvergleichliches Leben und ihre leidenschaftliche Hingabe ist der Beweis für ihre Prophetenschaft. Für alle Propheten gelten diese uneigennützigen Eigenschaften, so auch die von Jesus und Mohammed (FSMI beiden). Mohammed (FSMI) hat mit dem Islam selbstverständlich keinen eigenmächtigen Protestzug gegen eine schwache Gruppe von syrischen Christen gestartet. Er ist mit dem Auftrag Gottes gekommen und unterstützt durch die Offenbarung des Koran, um die Religion zu vervollkommnen und um eine Reinigung vom Aberglauben durchzuführen und im Ergebnis die Menschen zum geraden Weg zu führen. Demnach ist Mohammed(FSMI) als letzter Prophet des selben, einen Gottes nicht nur der Prophet der Muslime, sondern auch der Prophet aller Menschen.

Gott spricht zu Mohammed (FSMI):

Dir zu Liebe habe ich das Universum erschaffen.

Wir Muslime glauben, dass Gott Mohammed (FSMI) als den ersten Menschen aus seinem eigenen Licht erschaffen hat. Aus dem Geist Mohammeds (FSMI) hat er die Materie und folglich die Sterne, die Erde, die anderen Propheten und auch uns geschaffen. Aus dem Geist Mohammeds (FSMI) ist alles im Universum erschaffen. Daher rührt die Sonderstellung Mohammeds (FSMI) unter den Propheten. Der Prozess des ersten fleischgewordenen Menschen, Adam (FSMI), spielt sich erst danach ab. Adam (FSMI) ist für die Muslime nicht nur der Vater aller Menschen, sondern auch ein Prophet.

Jeder vorausgehende Prophet hat seine Nachkommenschaft vorausgesagt. So hat auch Jesus (FSMI) das Kommen des Propheten Mohammed (FSMI) vorausgesagt. In der jetzigen Bibel wird an verschiedenen Stellen diese Botschaft deutlich. Im griechischen Urtext der Bibel taucht der Name Paraklet auf. Paraklet hat dieselbe Bedeutung wie das arabische Wort Ahmed, der ein Name des Propheten Mohammed (FSMI) ist und auch im Wort Mohammed, mit H-M-D vorkommt. Martin Luther hat das Wort Paraklet mit Tröster, den heiligen Geist, übersetzt.

In der Lutherbibel steht:

{Johannes.16,5-7}
5Nun aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand unter euch fragt mich: Wo gehst du hin? 6Sondern weil ich solches geredet habe, ist euer Herz voll Trauerns geworden. 7Aber ich sage euch die Wahrheit: es ist euch gut, daß ich hingehe. Denn so ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch; so ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.

{Johannes.14,16}
Und ich will den Vater bitten, und er soll euch einen andern Tröster geben, daß er bei euch bleibe ewiglich.

{Johannes.14,26}
Aber der Tröster, der Heilige Geist, welchen mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch erinnern alles des, das ich euch gesagt habe.

{Johannes.16,8-9}
8Und wenn derselbe kommt, wird er die Welt strafen um die Sünde und um die Gerechtigkeit und um das Gericht: 9um die Sünde, daß sie nicht glauben an mich;

{Johannes.15,22}
Wenn ich nicht gekommen wäre und hätte es ihnen gesagt, so hätten sie keine Sünde; nun aber können sie nichts vorwenden, ihre Sünde zu entschuldigen.

{Johannes.15,24}
Hätte ich nicht die Werke getan unter ihnen, die kein anderer getan hat, so hätten sie keine Sünde; nun aber haben sie es gesehen und hassen doch beide, mich und den Vater.

{Johannes.16,10}
um die Gerechtigkeit aber, daß ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht sehet;

{Apostelgeschichte.5,31}
Den hat Gott durch seine rechte Hand erhöht zu einem Fürsten und Heiland, zu geben Israel Buße und Vergebung der Sünden.

{Römer.4,25}
welcher ist um unsrer Sünden willen dahingegeben und um unsrer Gerechtigkeit willen auferweckt.

{Johannes.16,11}
um das Gericht, daß der Fürst dieser Welt gerichtet ist.

{Johannes.12,31}
Jetzt geht das Gericht über die Welt; nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden.

{Johannes.16,12}
Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht tragen.

{1 Korinther.3,1}
Und ich, liebe Brüder, konnte nicht mit euch reden als mit Geistlichen, sondern als mit Fleischlichen, wie mit jungen Kindern in Christo.

{Johannes.16,13}
Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht von sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkünden.

{Johannes.14,26}
Aber der Tröster, der Heilige Geist, welchen mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch erinnern alles des, das ich euch gesagt habe.

{1 Johannes.2,27}
Und die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, bleibt bei euch, und ihr bedürfet nicht, daß euch jemand lehre; sondern wie euch die Salbung alles lehrt, so ist's wahr und ist keine Lüge, und wie sie euch gelehrt hat, so bleibet bei ihm.

{Johannes.16,14-15}
Derselbe wird mich verklären; denn von dem Meinen wird er's nehmen und euch verkündigen. 15Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich euch gesagt: Er wird's von dem Meinen nehmen und euch verkündigen.

{Johannes.3,35}
Der Vater hat den Sohn lieb und hat ihm alles in seine Hand gegeben.

{Johannes.17,10}
Und alles, was mein ist, das ist dein, und was dein ist, das ist mein; und ich bin in ihnen verklärt.

Für die Judenchristen war diese Sicht eine Selbstverständlichkeit und sie haben auf das Kommen des Aufklärers, Paraklets, Ahmeds gewartet. Sie wurden allerdings von den griechisch-römisch beeinflussten Heidenchristen übertönt und der Glaube wurde ihnen aberkannt.

Nun, diese islamischen Folgerungen stehen gewiss im Widerspruch zu der aktuellen christlichen Sicht. Für sie ist der Paraklet der heilige Geist im Sinne des Dreifaltigkeitsglaubens, und von daher erwarte ich natürlich keine Übereinstimmung mit meinen christlichen Freunden. Ich denke aber, dass es den einen oder anderen geben wird, der darüber mutig nachdenkt. Mohammed (FSMI) ist wahrlich der Aufklärer, auf den die Menschen warten. Nur schade, dass die Menschen ihn nicht richtig kennen, sondern vielfach kitschige Klischees das falsche Bild des kriegerischen, polygamen Barbaren bestimmen lassen.

Dabei ist alles so deutlich. Kein anderer, als Mohammed (FSMI), hat nach Jesus (FSMI) die tiefe Wirkung der selben Quelle so zum Ausdruck gebracht. Kein anderer hat sich auf Jesus (FSMI) bezogen, kein anderer hat den Monotheismus gepriesen. Kein anderer ist nach Jesus (FSMI) gekommen und keine Religion wächst, wie der Islam. Der Islam ist für die Welt keine fremde Religion, nicht fremder als das Judentum oder das Christentum. Ich weiß, dass meine christlichen Freunde anders darüber denken, aber dass sie dieser islamischen Sicht mit Geduld und Respekt begegnen werden.



Samstag, 23. Oktober 2010

Bis ans Ende der Welt





Und er sprach zu ihnen: Geht hin in die ganze Welt und predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung! Wer gläubig geworden und getauft worden ist, wird errettet werden; wer aber ungläubig ist, wird verdammt werden. Diese Zeichen aber werden denen folgen, die glauben: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; sie werden in neuen Sprachen reden, werden Schlangen aufheben, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden; Schwachen werden sie die Hände auflegen, und sie werden sich wohl befinden.

Der Herr wurde nun, nachdem er mit ihnen geredet hatte, in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes. Jene aber zogen aus und predigten überall, während der Herr mitwirkte und das Wort durch die darauf folgenden Zeichen bestätigte.

(Kapitel 16, 15 – 20, Ende des Buches)



Man wünschte sich an dieser Stelle noch einen längeren Bericht über die letzten Stunden, die Jesus mit seinen Jüngern auf der Erde verbracht hat. Tatsächlich berichten alle anderen Evangelisten ausführlicher über diesen nach dem Glauben der Christen wichtigsten Abschied der Weltgeschichte.

Was hat damals ein Christ, der ohne das komplette Neue Testament und nur mit dem kurzen Markusevangelium in der Tasche im Glauben heranwachsen mußte, aus diesen wenigen Zeilen gelesen? Ich vermute: die große Verheißung, nun selbst mit Zeichen und Wundern ausgestattet bis ans Ende der Welt gehen zu können und sich vor nichts fürchten zu müssen. Nach vielen antiken Berichten ist es ja genau das gewesen, was die anderen Menschen an den Christen überzeugend gefunden haben: ihre Unerschrockenheit, mit der sie bis zum Tod an ihrem Glauben festgehalten haben.

Sechs Jahrhunderte später muß der Prophet Mohammed in Mekka die Reste einer aus Syrien stammende Kirche kennengelernt haben. Man darf annehmen, daß diese Kirche die Kraft verloren hatte, ihren Glauben so zu leben, daß er mit Wundern und Zeichen verbunden war. Mohammed hat nichts Attraktives mehr an ihr gefunden und bekanntlich ihren Glauben verworfen, wonach Jesus sich zur Rechten Gottes gesetzt hat. Wäre die Geschichte anders verlaufen, wenn die Zeichen geblieben wären?



Donnerstag, 21. Oktober 2010

Nureddin zu "Neues Leben"




Jesus (Friede sei mit ihm) ist nach islamischem Glauben nicht gestorben. Folglich kann er nicht zum Leben wiedererweckt worden sein. Ich werde an dieser Stelle aber nicht darauf eingehen, ob jemand und wer statt Jesus (FSMI) beigesetzt worden ist, auch nicht auf die Reaktion der Jünger. Ich möchte nur soviel sagen, dass ihre ungläubige Reaktion nicht in ein Bild passt mit dem, was sie bereits über ihren Meister oder Lehrer aus eigener Erfahrung wissen. Vielleicht wollte Markus hier die tiefe Wirkung des Wunders noch einmal deutlich hervorheben.

An dieser Stelle geht es mir vorrangig darum, die Freude mit meinen christlichen Freunden zu teilen, so wie manche Christen die Freude über Dinge, die den Muslimen wichtig sind, mit ihren muslimischen Freunden teilen.

In den Tagen der aktuellen Debatten, in denen die Muslime Europas diese Freundlichkeit leider eher zu wenig zu sehen bekommen, und in denen ihre Religion öffentlich und gefährlich diffamiert wird, will ich mich dennoch und erst recht bemühen, am Beispiel des Symbols des Kreuzes für Christen, für die hier aus dem Schlechten schließlich das Gute wird, dieses Gute zu sehen und teile ihre Freude über Jesu (FSMI) Wiedererweckung. Jede Geburt geht mit Wehen einher.

Menschen des Dialoges sind interkulturell denkende Menschen. Als solche stehen sie mit einem Bein fest in ihrem Glauben und kreisen mit dem anderen um ihre Achse, und zwar so weit sie kommen. Wichtig ist dabei, weder das eine noch das andere Bein so sehr zu bevorzugen, dass man an dem einem oder anderen Punkt stehenbleibt. Dieses Bild von den beiden Beinen stammt von dem islamischen Gelehrten Mevlana Rumi, der den Zusatznamen Rumi dafür erhielt, dass er als Muslim in einem christlichen Umfeld freundschaftlich gelebt und von den Christen sehr geschätzt wurde und schließlich diesen Namen Rumi (der Römer) erhielt. Auch wir müssen hier und heute Rumis sein, als gegenwärtige Rumis, in einer säkular-christlichen Umgebung und auch in einer atheistisch beeinflussten Umgebung.

Was die Wunder angeht, so stellen sie für uns Muslime kaum ein Problem dar, weniger als vielleicht für manchen Christen. Wie ich bereits öfter erwähnt habe, denken wir als Muslime: wer in der Lage ist, die Natur von Null auf zu erschaffen, der wird erst Recht in der Lage sein, die Wunder als im Verhältnis dazu simplen Phänomene zu erschaffen.

Meiner Meinung nach, machen die Naturalisten den Fehler, dass sie der menschlichen Intelligenz zu sehr vertrauen. Die göttliche Intelligenz liegt hoch über der menschlichen, und vieles kann durch die menschliche Intelligenz gar nicht erklärt und mit dem menschlichen Auge auch nicht gesehen werden. Schaut man sich das Verhältnis Mensch und Universum an, wird der Unterschied von Mensch und Gott deutlich. Was hinter dem Universum ist, ist ein weiteres Rätsel und wird ungelöst für alle Menschen bleiben, wenn sie sich nicht den Glauben an einen Schöpfer haben. Ohne einen Glauben ist alles Wissen eine Ansammlung von Nullen. Erst durch den Glauben an einen Gott bekommt die Ansammlung von Nullen eine Eins vorgesetzt und alles bekommt wieder einen Sinn.



Mittwoch, 20. Oktober 2010

Neues Leben




Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. Und sie kommen sehr früh am ersten Wochentag zu der Gruft, als die Sonne aufgegangen war. Und sie sprachen zueinander: Wer wird uns den Stein von der Tür der Gruft wegwälzen? Und als sie aufblickten, sehen sie, daß der Stein zurückgewälzt ist; er war nämlich sehr groß. Und als sie in die Gruft eintraten, sahen sie einen jungen Mann zur Rechten sitzen, bekleidet mit einem weißen Gewand, und sie entsetzten sich. Er aber spricht zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus, den Nazarener, den Gekreuzigten. Er ist auferweckt worden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hingelegt hatten. Aber geht hin, sagt seinen Jüngern und Petrus, daß er euch nach Galiläa vorausgeht! Dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Und sie gingen hinaus und flohen von der Gruft. Denn Zittern und Bestürzung hatte sie ergriffen, und sie sagten niemand etwas, denn sie fürchteten sich.

Als er aber früh am ersten Wochentag auferstanden war, erschien er zuerst der Maria Magdalena, von der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte. Die ging hin und verkündete es denen, die mit ihm gewesen waren und trauerten und weinten. Und als jene hörten, daß er lebe und von ihr gesehen worden sei, glaubten sie nicht. Danach aber offenbarte er sich zweien von ihnen in anderer Gestalt unterwegs, als sie aufs Land gingen. Und jene gingen hin und verkündeten es den übrigen; auch jenen glaubten sie nicht. Nachher offenbarte er sich den Elfen selbst, als sie zu Tisch lagen, und schalt ihren Unglauben und ihre Herzenshärtigkeit, daß sie denen, die ihn auferweckt gesehen, nicht geglaubt hatten.


(Kapitel 16, 1 – 14)


Auch dieses Kapitel wird kaum ein Moslem lesen, ohne als erstes grundlegende Zweifel anzumelden. Und trotzdem – sieht er die Freude, mit der sein christlicher Nachbar oder Freund das alles liest? Kann er sich unter Umständen selbst daran freuen?

Selbst wenn er die Empfindungen der Christen nicht teilen kann, so kann er doch immerhin etwas über den christlichen Glauben lernen: der speziell christliche Auferstehungsglaube, der an diesem Tag, dem ersten Tag der Woche nach Passah, dem Sonntag, den die Christen später heilig gemacht haben, vor dem Grab Jesu erstmals entsteht, ist von Anfang an ein angefochtener Glaube. Der Tod Jesu und sein neues Leben sind selbst seinen engsten Vertrauten zunächst unerklärlich und fremd.

Eine gute christliche Tradition hat daraus die Folgerung gezogen und hochgehalten, daß wir Menschen blind für Gott sind und es selbst dann noch zu einem guten Teil bleiben, wenn wir glaubende Menschen werden. Im Propheten Jesaja heißt es (Kapitel 55,8)

Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken,
und eure Wege sind nicht meine Wege,
spricht JHWH.

Das soll uns nicht unsicher machen in Bezug auf das, was wir von Gott wissen können. Aber bescheiden.



Dienstag, 19. Oktober 2010

Marga Behrend zu "Das Kreuz Jesu"




Lieber Christian, lieber Nureddin,

im Folgenden möchte ich etwas ganz und gar Privates, Persönliches zum Kreuz Jesu erzählen. Erst anschließend will ich mich dann theologisch dazu äußern.

Wenn jemand zum ersten Mal davon hört, dass ein Religionsstifter auf eine qualvolle und, nach damaligem Brauch, schmachvolle Weise zu Tode gebracht wurde, dann kann er das gar nicht glauben. Das leuchtet mir ein. Ich möchte jetzt erzählen, dass es auch für einen Christenmenschen sehr schwierig ist, die Kreuzigung anzuerkennen.

Ich bin ein einem Elternhaus aufgewachsen, das gegen alles Religiöse eingestellt war und deshalb hörte ich den Namen „Jesus“ zum allerersten Mal im Religionsunterricht in der Schule im Alter von 7 Jahren, und er fiel mir augenblicklich mitten ins Herz. Was Karfreitag bedeutet, wurde aber erst in späteren Schuljahren unterrichtet, so dass ich schon 10 Jahre alt war, als ich zum ersten Mal etwas über die Kreuzigung hörte. Ich nahm das hin, wie ich alles hinnahm. Ich bin mitten in den Greueln des 2. Weltkrieges aufgewachsen und da gab es überhaupt kein anderes Mittel, die Dinge zu ertragen, als alles hinzunehmen. Niemals hätte ich meine Eltern damals betrüben wollen mit Fragen, warum alles so ist, wie es ist. Jedes Jahr am Karfreitag, dem Tag der Kreuzigung Jesu, war ich traurig. Da meine Eltern über nichts Religiöses sprechen wollten, blieb ich mit meinem Kummer, auch mit meinen religiösen Aktivitäten, also hauptsächlich Gebeten, völlig allein.

Als ich mit 22 Jahren heiratete, konnte ich auch mit meinem Mann nicht darüber sprechen. Auch er hatte sich im Zorn von der Kirche abgewandt. So ging es mir in Fleisch und Blut über, niemals über etwas Religiöses zu sprechen. Meine Liebe zu Jesus vertiefte sich aber immer mehr, je älter ich wurde.

Als ich 46 Jahre alt war sah ich jeden Morgen beim Frühstück Jesus am Kreuz leiden und ich weinte bitterlich. Das dauerte vier Monate und danach verschwand es, so wie es gekommen war. Mit dieser Qual, die ich da mit Jesus miterlebte, wollte ich nichts zu tun haben. Er sollte nicht meinetwegen ans Kreuz geschlagen sein. Nein, auf gar keinen Fall!!!!

Als ich 67 Jahre alt war, las ich die Vorlesungen von Joseph Ratzinger, dem jetzigen Papst Benedikt XVI., und während des Lesens hörte ich plötzlich eine Stimme in meinem Innern. Sie sprach: Die Menschheit ist ein Wesen. So wie das Minaralreich, das Pflanzenreich und das Tierreich, jedes für sich betrachtet, auch ein Wesen ist. Die Menschheit wird eines Tages insgesamt erlöst sein, also den Weg ins Paradies, oder wie immer man das nennen will, wieder zurück gefunden haben. Da Du in diesem Leben als Christin aufgewachsen bist und Dich mit dem Christentum beschäftigt hast, besteht Dein Erlösungsweg darin, dass Du Jesus nachfolgst. Klammerst Du etwas aus dem Erlösungsweg aus, zum Beispiel die Kreuzigung, dann hältst Du alle Menschen, denen es bestimmt ist, auf diesem Erlösungsweg voranzukommen, auf.

Was für ein Wort! Nein, das wollte ich natürlich auch nicht, die Menschheit insgesamt aufhalten, wenn sie unterwegs war heim zu Gott. Schließlich nach längerer Zeit rang ich mich dazu durch, die Kreuzigung auch für meine Person in Anspruch zu nehmen und ich dankte Jesus, dass er auch für mich durch dieses qualvolle Todestor gegangen war.

Nach einiger Zeit begriff ich, warum zwischen dieser schmerzvollen Vision und der inneren Stimme so viele Jahre hatten liegen müssen, immerhin 21 Jahre. Ich erklärte es mir so: Das Herz musste nach diesem schrecklichen Leiden erst einmal wieder zur Ruhe kommen, bevor der Verstand in der Lage war, in dieser Angelegenheit etwas aufnehmen zu können, und ich könnte mir denken, dass es sich beim Menschen generell so verhält. Erst wenn das Herz alles verwunden hat, ist der Verstand wieder ansprechbar.

Und dann geschah ein Drittes. Als Joseph Ratzinger Papst geworden war, also Benedikt XVI. wurde der Kreuzweg in Rom zum ersten Mal auch im deutschen Fernsehen übertragen. Da gehen Menschen an allen Passionsorten, die als überlebensgroße Gemälde an den Seiten des Weges stehen, vorbei und zu jedem Passionsort wird ein Text gesprochen. Der Papst trug vorweg den Kreuzstab und man konnte ihn immer gut sehen. An einer Stelle des Kreuzweges begann ich zu weinen und ich sah, wie Benedikt XVI. sein Taschentuch aus dem Ärmel zog. Die Kamera schwenkte dann zur Seite, aber ich war mir sicher, dass auch er weinte. Es war die Stelle, als Jesus vom Kreuz abgenommen war und seiner Mutter Maria in den Schoß gelegt wurde. Der Kreuzweg war bald danach zu Ende. Der Papst sprach noch einige Worte zu den tausenden Gläubigen, die ihm zujubelten.

Da empfand ich es zum ersten Mal, wie tröstlich und hilfreich es sein kann, im Schmerz einen Gefährten zu haben.

Seitdem bin ich immer noch traurig am Karfreitag, aber niemals mehr so sehr, wie ich es früher gewesen war.

So weit mein persönliches Erleben.



Jetzt möchte ich noch schreiben:

Das Kreuzsymbol aus theologischer Sicht

Lieber Nureddin, Du sagst, dass es Dir nicht einleuchtet, warum die Christen für ihr Glaubensleben das Kreuz zum Symbol erwählt haben.

Das Kreuz enthält aber tatsächlich die ganze Essenz des Christentums. Jesus brachte eine Aufgabe zum Abschluss, als er sich widerstandslos hinrichten ließ und um Vergebung seinen Peinigern gegenüber rang. Er hat sich dazu durchgerungen und verlangt das auch von uns. „Folge mir nach“ heißt, verwandelt eure Untugenden in Tugenden, ersetzt die Eifersucht durch die Großmut, den Geiz durch die Mildtätigkeit, den Neid durch Zufriedenheit usw. Jesus hat also das Kreuz, das bei den Römern ein Zeichen der Schmach war, denn kein Bürger des Römischen Reiches durfte gekreuzigt werden, das wäre eine Demütigung für das gesamte Römische Reich gewesen, also Jesus hat das Kreuz der Schmach in das Kreuz des Sieges verwandelt und auch wir sind aufgerufen, unsere Untugenden durch Tugenden zu ersetzen, denn man kann nichts wegwerfen, wenn man es nicht durch etwas anderes ersetzt. Ja, das Kreuz ist das Symbol für den Sieg, den jeder in seinem Innersten über seine Schwächen erringen soll und wenn er das Kreuz beispielsweise am Hals trägt und an sich selbst intensiv arbeitet, wird ihn dieses Symbol bei dieser Arbeit ein wenig unterstützen.

So viel für heute. Gerne würde ich noch über Pilatus und über Judas schreiben, die sogar von den Christen oft missverstanden werden. Wenn das gewünscht wird, kann ich es ein anderes Mal tun.



Montag, 18. Oktober 2010

Nureddin zu "Tod und Begräbnis"




Das irdische Ende Jesu (Friede sei mit ihm) naht. Die Zeilen des Evangeliums werden schwerfälliger, eine tiefe Trauer zieht den Leser in ihren Bann und auch ein tiefer Schock. Ich muss zugeben, dass ich die letzten Stunden des Jesu (FSMI) sehr traurig finde, egal ob man den Bericht darüber wie ein Muslim oder wie ein Christ liest.

Er hat ein schwieriges Leben geführt, hat mehr gelitten als gelebt und zum Schluss dann dieser Abschied. Die Krönung ist das Ensemble der Hinrichtenden: die Schriftgelehrten, die Weisen und der römische Staat, die zusammen für Recht, Ordnung und Wohlergehen der Menschen sorgen sollten. Was auf der einen Seite äußerlich gesehen so furchtbar erscheint, ist auf der anderen Seite im Kern notwendig für vieles, was daran gebunden und gut ist. Hieraus kann ein gläubiger Mensch ein differenzierteres Verständnis für die Opfer von Naturkatastrophen und anderen schlimmen Schicksalen ableiten. Es ist hier wie mit manchen Medikamenten, die äußerlich bitter, aber innerlich süß sind, weil sie notwendig sind.

Auf der anderen Seite wäre der Abgang Jesu (FSMI) durch einen heimlichen, für die Menschen nicht erkennbaren Mord nicht so wirkungsvoll auf die Massen gewesen und deshalb Jesu unvergleichlicher Bedeutung unangemessen. Er musste fast auf diese spektakuläre Weise von dieser Welt gehen, durch die Hand der obersten, mächtigsten Menschen seiner Zeit, um zu zeigen, dass er ihnen überlegen ist, und dass diese Mächtigen eine teuflische Allianz bilden. Sein Dahinscheiden ist keinesfalls eine Niederlage, sondern ein angemessener Abgang, mit einem Paukenschlag gegen alles Gottlose. Wer Gott gegen sich hat, hat in Wirklichkeit nichts, und wer Gott an seiner Seite hat, der hat alles.

Das Ergebnis bestätigt mich. Rom hat sich dem Christentum ergeben, die jüdischen Schriftgelehrten mussten mit ansehen, wie mehr und mehr die Menschen zum Christentum übergetreten sind und nun über 2 Milliarden Christen weltweit Jesus ehren und lieben. Auch über 1,5 Milliarden Muslime schließen sich der Liebe zu Jesus (FSMI) an. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lieben demnach Jesus (FSMI), ganz gegen den Wunsch der Hinrichtenden. Der Weggang Jesu (FSMI) ist daher ein Sieg und keine Niederlage.

Die Christen empfinden, in der Kreuzigung Jesu (FSMI), das Zentrum ihrer Religion. Die Figur des am Kreuz hängenden Jesus (FSMI), der leidet, der nicht gerettet wird, verkörpert für Christen die Opferung Jesu (FSMI) für die Menschheit. Das Rätsel dieses Momentes werden die Muslime für sich anders interpretieren, doch wie oben beschrieben hat dieser außerordentliche Moment trotzdem die Menschheit ganz im Sinne der Liebe Gottes eingehüllt, sowohl die Christen als auch uns Muslime.

Wünschenswert wäre für uns Muslime, dass Christen dem Propheten Mohammed (FSMI) eine ähnliche Liebe entgegen brächten wie Muslime sie Jesus (FSMI) entgegen bringen. Ich bin optimistisch, dass das geschehen wird, weil das stärkste Merkmal des Christentums die Liebe ist, und die Christen diese Liebe Mohammed (FSMI) nicht verwehren dürfen, wenn sie ihn wirklich kennen.

In Folge dessen denke ich, dass unser Jahrhundert durch die Allianz der gläubigen Christen und Muslime mehr und mehr ein Jahrhundert des Glaubens sein wird, das den Weltfrieden sichern wird.


Sonntag, 17. Oktober 2010

Tod und Begräbnis




Und sie bringen ihn nach der Stätte Golgatha, was übersetzt ist Schädelstätte. Und sie gaben ihm mit Myrrhe vermischten Wein; er aber nahm ihn nicht. Und sie kreuzigen ihn. Und sie verteilen seine Kleider, indem sie das Los über sie warfen, was jeder bekommen sollte. Es war aber die dritte Stunde, und sie kreuzigten ihn. Und die Aufschrift seiner Beschuldigung war oben angeschrieben: Der König der Juden. Und mit ihm kreuzigen sie zwei Räuber, einen zu seiner Rechten und einen zu seiner Linken.

Und die Vorübergehenden lästerten ihn, schüttelten ihre Köpfe und sagten: Ha! Der du den Tempel abbrichst und in drei Tagen aufbaust, rette dich selbst, und steige herab vom Kreuz! Ebenso spotteten auch die Hohenpriester mit den Schriftgelehrten untereinander und sprachen: Andere hat er gerettet, sich selbst kann er nicht retten. Der Christus, der König Israels, steige jetzt herab vom Kreuz, damit wir sehen und glauben! Auch die mit ihm gekreuzigt waren, schmähten ihn.

Und in der sechsten Stunde kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde; und in der neunten Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme: Eloí, Eloí, lemá sabachtháni? was übersetzt ist: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Und als einige der Dabeistehenden es hörten, sagten sie: Siehe, er ruft Elia. Einer aber lief, füllte einen Schwamm mit Essig, steckte ihn auf ein Rohr, gab ihm zu trinken und sprach: Halt, laßt uns sehen, ob Elia kommt, ihn herabzunehmen! Jesus aber stieß einen lauten Schrei aus und verschied.

Und der Vorhang des Tempels zerriß in zwei Stücke, von oben bis unten. Als aber der Hauptmann, der ihm gegenüber dabeistand, sah, daß er so verschied, sprach er: Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn! Es sahen aber auch Frauen von weitem zu, unter ihnen auch Maria Magdalena und Maria, Jakobus' des Kleinen und Joses' Mutter, und Salome, die, als er in Galiläa war, ihm nachfolgten und ihm dienten, und viele andere, die mit ihm nach Jerusalem hinaufgekommen waren.


Und als es schon Abend geworden war - es war nämlich Rüsttag, das ist der Vorsabbat - kam Josef von Arimathäa, ein angesehener Ratsherr, der selbst auch das Reich Gottes erwartete, und er wagte es und ging zu Pilatus hinein und bat um den Leib Jesu. Pilatus aber wunderte sich, daß er schon gestorben sein sollte; und er rief den Hauptmann herbei und fragte ihn, ob er schon lange gestorben sei. Und als er es von dem Hauptmann erfuhr, schenkte er Josef den Leib. Und der kaufte feines Leinentuch, nahm ihn herab, wickelte ihn in das Leinentuch und legte ihn in eine Gruft, die in einen Felsen gehauen war, und er wälzte einen Stein an die Tür der Gruft. Aber Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Joses, sahen zu, wohin er gelegt wurde.


(Kapitel 15, 22 – 47)



Wer diese Zeilen liest, blickt zusammen mit allen Christen in der Welt auf das Zentrum ihres Glaubens – und gleichzeitig auf ein großes Geheimnis. Ich denke, dieser gemeinsame Blick, zu dem in einer vielleicht in Zukunft brüderlicher werdenden Welt alle Glaubenden der unterschiedlichsten Religionen eingeladen sind, kann selbst dann die Menschen in staunender Andacht untereinander verbinden, wenn man wie Nureddin glaubt, hier sterbe nur ein Ersatzmann für den unsterblichen Propheten Jesus.

Man muß diese Frage nicht bis ans Ende diskutieren. Wichtig ist ja, daß die Umstehenden offenbar mit Sicherheit annehmen, daß hier Jesus sein Leben beendet. Und sie laden bis heute dazu ein, den Blick nicht abzuwenden von diesem Moment höchster Qual – und gleichzeitig höchster Liebe. Der Gekreuzigte nimmt die Gottverlassenheit* auf sich, zeigt gleichzeitig Gottes unendliche Liebe zur Welt und rettet sie nach dem Verständnis der Christen.

Wie das gehen kann, ist gewiß ein Rätsel, aber der römische Soldat, der Hauptmann unter dem Kreuz, versteht es als erster, ganz intuitiv: hier handelt Gott. Erneut muß der Moslem über das Wort Gottes Sohn weghören, das er natürlich als einen Angriff auf den Monotheismus empfindet. Aber es geht hier ja nicht um die Aufspaltung Gottes in mehrere Personen, es geht um das Staunen über sein Handeln. Der Römer will keine Aussagen über die Vaterschaft machen, die Jesus gezeugt hat. Er will sagen, daß er in diesem Moment etwas ansieht, was in tiefer Weise dem Willen Gottes entspricht.

Im Tempel zerreißt der Vorhang, der das Allerheiligste abtrennt, den Raum den nur der oberste Priester betreten darf, und das nur einmal im Jahr. Gott kommt den Menschen nahe. Der Koran sagt: nahe wie meine Halsschlagader. Das paßt für eine Menschen mit einem weiten und offenen Verständnis genau hierhin, aber es muß aus christlicher Sicht ergänzt werden: nahe, indem Gott das tiefste Leid und Elend des Menschen ergreift und es letztlich sich selbst auflädt.


* die letzten Worte Jesu Mein Gott, warum hast du mich verlassen? sind der Anfang des düsteren und qualvollen Psalms 22


Freitag, 15. Oktober 2010

Nureddin zu "Der letzte Weg"






Die frohe Botschaft zu Beginn: Jesus (Friede sei mit ihm) ist nicht tot. Nach islamischen Quellen hat Gott, seinen geliebten Jesus (FSMI) vor den Foltern und dem Tode gerettet, damit er zu einer anderen Zeit wiederkehrt und als Messias die gläubigen Menschen rettet. Im Gotteswort Koran steht im Kapitel 4 (Sure Nisa / Die Frau, Vers 157):

Und weil sie sprachen: "Siehe, wir haben den Messias Jesus, den Sohn der Maria, den Gesandten Allahs, getötet" - doch sie töteten ihn nicht und kreuzigten ihn nicht (zu Tode), sondern es erschien ihnen nur so - (darum straften Wir sie). Und siehe, diejenigen, die darüber uneins sind, sind wahrlich im Zweifel über ihn. Sie wissen nichts davon, sondern folgen nur Vermutungen. Und Sie töteten ihn mit Gewissheit nicht.

Aus diesem Vers geht außerdem hervor, dass es möglicherweise zu Diskussionen gekommen ist, ob Jesus (FSMI) gekreuzigt wurde oder nicht. Der nächste Vers klärt diese Auseinandersetzung auf, nämlich dass Jesus (FSMI) zu einer anderen Dimension erhoben worden ist:

Ganz im Gegenteil: Allah erhöhte ihn zu Sich; und Allah ist mächtig und weise. (Sure Nisa, 158)

Wir Muslime sagen daher, wie manche fromme Christen auch: Jesus lebt! Aber eben, weil er gar nicht sterben musste.

Nach islamischer Überlieferung ist der Verräter Judas, als Strafe für seinen Verrat anstelle von Jesus (FSMI), gekreuzigt worden. Vor seiner Hinrichtung, versuchte er vergebens, glaubhaft zu machen, dass er nicht Jesus (FSMI) ist, um so dem Tod zu entkommen. Auch nach christlichen Quellen, verschwindet er nach der Kreuzigung, aber dort spricht man über einen Selbstmord.

Jesus (FSMI) wird im Islam liebevoll als Messias oder der Geist Gottes (Ruhullah) genannt, weil er mit einem Wunder, nämlich ohne einen Vater zur Welt gekommen ist. Keinen andern nennt Gott Ruhullah. Gott hat Maria (Friede sei mit ihr) von seinem eigenen Licht eingehaucht und den Erzengel Gabriel mit dieser Aufgabe beauftragt. Maria (FSMI) ist als ein Wunder ohne einen Mann schwanger geworden. Naturalisten werden dies nicht akzeptieren. Aber wer die Natur erschaffen hat, wird sie mit Leichtigkeit verändern können. Wir Menschen können das nicht, weil die Fähigkeit zur Erschaffung der Natur und zur Außerkraftsetzung ihrer Gesetze nur Gottes Eigenschaft ist.

Diese Zeilen können aber auch Interpretationen auslösen, und sie haben sie auch ausgelöst. Ich vermute, darüber stritten sich die zwei verschiedenen Lager der frühen Christen, nämlich über die Gottessohnschaft Jesu (FSMI). Erst viel später, durch den Einfluss der Römer im Konzil von Nicea (um 350 n.Chr.) wurde die Gottessohnschaft ein fundamentaler Bestandteil des Christentums. Einige Bibelschriften der Judenchristen, die das Gegenteil aussagten, wurden zu Apokryphen erklärt und als solche vernichtet, und die Christen, die danach lebten, wurden brutal verfolgt. Der Koran gibt den Judenchristen Recht und hinterlässt hier keinen Zweifel. In Sure 112 (Ikhlas / Reinheit im Glauben) heißt es:

Sprich: "Er ist Allah, ein Einziger (1), Allah, der Absolute (Ewige Unabhängige, von Dem alles abhängt). (2) Er zeugt nicht und ist nicht gezeugt worden (3), und Ihm ebenbürtig ist keiner." (4)

Jesus (FSMI) ist durch Wunder zur Welt gekommen und durch ein zweites Wunder von dieser Welt gegangen. Wir glauben, dass er eines Tages zurückkehren , seine Anhänger zu Ikhlas (Reinheit im Glauben) aufrufen und sich mit den Muslimen verbünden wird. Wir wissen auch, dass nicht alle ihn erkennen und anerkennen werden und weiterhin ein Teil davon nicht den Weg der Judenchristen sondern den Weg der römisch beeinflußten Heidenchristen gehen wird.

Wie es auch sei, in diesem Kapitel wird versucht, Jesus (FSMI) ein schreckliches Szenario aufzuerlegen. Wenn man sich die Allianz der Hinrichtenden (Hohenpriester mit den Ältesten und Schriftgelehrten und dem ganzen Hohen Rat) anguckt, wird deutlich, zu welchem Zweck Gott Jesus (FSMI) beauftragt hat. Es muß eine schlimme Zeit für Moral, Ethik und Religion gewesen sein. Alle diejenigen, die für Religion, Ordnung und Glaube da sein sollten, haben die Religion zu ihrem eigenen Vorteil verändert und damit ihren Glauben verraten. Sie machten viele üble Dinge im Gewand ihrer religiösen Macht, und sie erklärten, diese im Namen Gottes zu tun. Wenn ich auf die späteren Zeiten und auf unsere Zeit schaue, finde ich, daß sich diese Vorgehensweise leider in allen Religionen wiederholt.

Wünschenswert wäre es immer, wenn die Gläubigen erst bei sich, dann in ihrer Kirche oder Moschee oder Synagoge oder ihrem Tempel wieder zur Reinheit im Glauben des Glaubens aufrufen und zu ihm zurückkehren würden - und erst dann versuchten, die Welt zu verbessern. Noch besser wäre es, dies alles zeitgleich zu machen, denn wir leben leider in einer sehr schwierigen Zeit, und die knappe Zeit ist kostbarer denn je. Die Menschen brauchen Vorbilder, die das leben, was moralisch, ethisch und religiös richtig ist und die das nicht nur predigen. Es fehlt überall an Glaubwürdigkeit. Die Menschenmassen laufen nach meinem Eindruck den Kirchen aufgrund von deren Unglaubwürdigkeit weg.

Einen deutlichen Unterschied zwischen Islam und Christentum sehe ich im Glauben an die Sündenvergebung. Im Christentum wird Jesus (FSMI) für die Sünden anderer bestraft. Die Sünder kommen dadurch frei und kommen ins Paradies. Das hieße aber auch, dass man sündigen kann wie man will, man wird nicht bestraft. Besonders alltagstauglich und abschreckend ist diese Methode sicherlich nicht.

Der Islam kennt diese Praxis nicht. Jeder wird persönlich für seine Sünden von Gott zur Rechenschaft gezogen. Jede noch so eine kleine Sünde kommt vors Gericht und jeder Sünder muss Rechenschaft ablegen. Ein Muslim zu sein, bedeutet nicht, einen Freischein vor der Strafe zu haben. Wie sollte es auch? Jeder Mensch bekommt die gleiche Chance im Leben. Gott ist gerecht und behandelt alle Menschen gleich.

Dass die Propheten für die Sünden ihrer Gefolgschaft bei Gott um Vergebung bitten werden, ist auch bei uns anerkannt, aber jeder büßt für sich. Wir sind auch ebenso in Bezug auf die Gnade Gottes hoffnungsvoll, aber eine Sicherheit haben wir nicht. Ich meine auch, daß eine solche absolute Sicherheit in Bezug auf die Gerechtigkeit Gottes sehr widersprüchlich wirkt. Muslime bewegen sich zwischen Hoffnung und Sorge. Hoffnung auf die Gnade und Sorge über das Gericht.
Aus diesem islamischen Gedanken lässt sich ausserdem ableiten, dass die Kinder für die Sünden ihrer Eltern oder Vorfahren nicht bestraft werden dürfen. Deshalb dürften verschiedene Rassismen wie etwa der Antisemitismus für die Muslime keine Rolle spielen. Dass die Schriftgelehrten, die Jesus verurteilten, und ihr Volk jüdisch waren, gibt daher niemandem das Recht, antisemitische Gedanken zu hegen.

Große Sünden wie Mord und Völkermord sind besonders schlimm. Sie werden in allen Religionen verboten. Eine Steigerung zum Negativen hin ist der Mord im vermeintlichen Sinne der Religion. Das betrifft z.B. die Selbstmordattentäter. Wir sind keine Richter über die Schicksale anderer. Gott wird alleine diese Entscheidung haben, aber den Gedanken, dass solche Menschen ungestraft davon kommen sollen, weil jemand für sie bereits gestorben ist, finde ich nicht gerecht. Wenn Gott sogar kleine Sünden zur Rechenschaft ziehen wird, wird er bei den großen erst recht kein Auge zudrücken. Er liebt es, Gnade vor Recht walten zu lassen, aber wie das Ergebnis am Ende ausschaut bleibt ein Geheimnis.

Zur Frage, wer Jesus (FSMI) getötet hat, ist meine Antwort: alle, die das gutgeheißen, befürwortet, veranlasst und ausgeführt haben. Im Islam gilt die Regel:

Wer etwas veranlasst, ist genau wie jemand, der es tut.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Unterstellung der Römer, Jesus (FSMI) sei der Judenkönig. Damit unterstellt man ihm eine zweite Machtstellung neben den Römern anzustreben. Dies ist aber sicher nicht die Absicht Jesu (FSMI). Das wissen auch die Römer, aber sie brauchen einen Vorwand für den Tod am Kreuz. Ich sehe hier eine Parallele zu uns heutigen Muslimen. Man unterstellt den Muslimen, sie würden die Scharia neben den Gesetzen der Länder, in denen sie leben, anstreben, um einen Gottesstaat aufzubauen. Man unterstellt ihnen eine Unterwanderung des Grundgesetzes etc. Ich widerspreche diesem Unsinn mit Entschiedenheit, so wie ich dem Unsinn des Judenkönigs widerspreche.

Die Scharia regelt das religiöse Leben gläubiger Muslime und ist vergleichbar mit der christlichen Enzyklika. Die Scharia regelt zwei Bereiche. Der eine Bereich, der kleinere von beiden, ist das islamische Regelwerk, welches den Staat betrifft. Der andere, größere betrifft das religiöse Leben des Einzelnen. In einem Staat, in dem es nach Recht und Ordnung zugeht und in dem Gerechtigkeit herrscht, in dem die Menschenrechte und der Frieden beachtet werden, wird der erste Teil der Scharia bereits eingehalten. Dieser Staat handelt im Sinne des Islams, auch wenn er sich nicht danach benennt. Umgekehrt ist ein Staat, der sich islamisch nennt, nicht unbedingt damit gemeint. Wichtig ist das Ergebnis der staatlichen Praxis - ein auf Diktatur ausgehendes Regime oder eine af Freiheit und Demokratie ausgehende Ordnung.

Unser Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist für Muslime völlig ausreichend. Es sorgt dafür, dass die islamischen Anforderungen an den Staat erfüllt werden. Das demokratische, freiheitliche Recht- und Ordnungssystem der Bundesrepublik ist also islamkonform. Das gilt für die übrigen EU-Staaten und den übrigen Staaten des „Westens“ ebenfalls. Sicherlich kann dieses System noch verbessert werden, falls dafür Bedarf besteht. Dafür gibt es ein Parlament, in dem das beraten und entschieden wird.

Folglich haben die meisten Muslime keine Probleme mit dem Grundgesetz. Sie leben gesetzestreu nach diesem Gesetz und nach den anderen Gesetzen der Länder in denen sie leben und streiten sich nicht darum, diese zu unterwandern oder zu zerstören, genau so wenig wie Jesus (FSMI) es getan hätte. Über die wenigen Fanatiker braucht man nicht zu sprechen, einen gewissen Anteil von ihnen gibt es überall (siehe Diskriminierungen, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsradikale etc).


Donnerstag, 14. Oktober 2010

Der letzte Weg




Und am frühen Morgen faßten die Hohenpriester mit den Ältesten und Schriftgelehrten und dem ganzen Hohen Rat sogleich einen Beschluß, und sie banden Jesus und führten ihn weg und überlieferten ihn dem Pilatus. Und Pilatus fragte ihn: Bist du der König der Juden? Er aber antwortete und spricht zu ihm: Du sagst es. Und die Hohenpriester klagten ihn vieler Dinge an. Pilatus aber fragte ihn wieder und sprach: Antwortest du nichts? Siehe, wie vieles sie gegen dich vorbringen! Jesus aber antwortete gar nichts mehr, so daß Pilatus sich wunderte.

Zum Fest aber pflegte er ihnen einen Gefangenen loszugeben, wen sie sich erbaten. Es war aber einer, genannt Barabbas, mit den Aufrührern gefangen, die in dem Aufstand einen Mord begangen hatten. Und die Volksmenge ging hinauf und fing an zu bitten, daß er tue, wie er ihnen bisher getan habe. Pilatus aber antwortete ihnen und sprach: Wollt ihr, daß ich euch den König der Juden losgebe? Denn er wußte, daß die Hohenpriester ihn aus Neid überliefert hatten. Die Hohenpriester aber wiegelten die Volksmenge auf, daß er ihnen lieber den Barabbas losgebe. Pilatus aber antwortete wieder und sprach zu ihnen: Was soll ich denn mit dem tun, den ihr den König der Juden nennt? Sie aber schrien wieder: Kreuzige ihn! Pilatus aber sprach zu ihnen: Was hat er denn Böses getan? Sie aber schrien über die Maßen: Kreuzige ihn! Da aber Pilatus der Volksmenge einen Gefallen tun wollte, gab er ihnen den Barabbas los und überlieferte Jesus, nachdem er ihn hatte geißeln lassen, damit er gekreuzigt werde.

Die Soldaten aber führten ihn in den Hof hinein, das ist das Prätorium; und sie rufen die ganze Schar zusammen. Und sie legen ihm ein Purpurgewand an und flechten eine Dornenkrone und setzen sie ihm auf; und sie fingen an, ihn zu grüßen: Sei gegrüßt, König der Juden! Und sie schlugen ihn mit einem Rohr auf das Haupt und spien ihn an, und sie beugten die Knie und huldigten ihm. Und als sie ihn verspottet hatten, zogen sie ihm das Purpurgewand aus und zogen ihm seine Kleider an.

Und sie führen ihn hinaus, um ihn zu kreuzigen. Und sie zwingen einen Vorübergehenden, einen gewissen Simon von Kyrene, der vom Feld kam, den Vater Alexanders und Rufus', daß er sein Kreuz trage.

(Kapitel 15, 1 – 21)

Die Einzelheiten dieser Geschichte sind allen Christen bekannt. Jedes Jahr zu Karfreitag werden die Worte in den Kirchen gelesen. Trotzdem erschrecken sie beim erneuten Lesen immer wieder. Das Ende Jesu vollzieht sich in einer Orgie von Haß und Gewalt.

Der Passionsfilm von Mel Gibson aus dem Jahre 2004 ist dafür kritisiert worden, daß er in überaus grausamen Bildern schwelgt. Aber es ist wohl richtig, was der alte Papst Johannes Paul II. gesagt haben soll, als man ihm den Film vorab privat vorgeführt hat: so ist es gewesen.

Zur Entsetzen kommt ein gewisses Unverständnis hinzu. Irgendwie bleiben die letzten Ursachen für Jesu Tod im Unklaren. Wer hat letztlich über sein Leben entschieden?

Die Juden waren es zunächst wohl nicht, sie dürfen kein Todesurteil verhängen, weil die Gerichtsbarkeit bei der römischen Besatzungsmacht liegt (die man wenige Jahre nach dem Tod des großen Herodes im Jahre 4 auf jüdischen Wunsch hin nach Judäa geholt hat, nachdem der Sohn des Herodes sich als unfähig erwies, das Land zu regieren). Der römische Gouverneur Pilatus zeigt nun aber seinerseits wenig Lust, in religiösen Streitigkeiten auf Tod und Leben zu entscheiden. Daß Jesus ihm als König der Juden nicht gefährlich werden kann, hat er sicherlich auf den ersten Blick gesehen. Und so macht er ein heute noch modernes und beliebtes Spiel mit dem Volk: er veranstaltet, wie man heute sagen würde, ein Casting. Jesus und ein krimineller Gewaltverbrecher werden vor das Volk gestelt. Das Volk wählt, und einer der beiden kommt frei.

Im Ergebnis legt er das Schicksal Jesu also in die Hände des jüdischen Volkes, und das spricht ein schnelles und einstimmiges Urteil: kreuzige ihn! Dieses Votum hat später dazu geführt, daß der den Juden zugeschriebene Mord an Jesus ein ewiger Grund für den scheinbar unauflöslichen Haß zwischen Juden und Christen geworden ist. Der Antisemitismus hat hier eine seiner stärksten Quellen.

Aber es gibt eine Alternative zur Beschuldigung der Juden und damit der Fortsetzung von Gewalt und Rache. Sie hat vielleicht am schönsten der christliche Liederdichter Paul Gerhardt (1607 – 1676) in Worte gefaßt, ein vom dreißigjährigen Krieg und viel persönlichem Elend schwer gezeichneter Mann. In einer Liedstrophe spricht er Jesus unmittelbar an und fragt ihn:

Wer hat dich so geschlagen,
mein Heil, und dich mit Plagen
so übel zugericht’?
Du bist ja nicht ein Sünder
wie wir und unsre Kinder,
von Übeltaten weißt du nicht.


Und dann antwortet er selbst:

Ich, ich und meine Sünden,
die sich wie Körnlein finden
des Sandes an dem Meer,
die haben dir erreget
das Elend, das dich schläget,
und deiner schweren Martern Heer.

Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) hat beide Strophen in seine berühmte Johannespassion, die Vertonung des Passionsberichtes aus dem Johannesevangelium, einfließen lassen. Und so hören es viele Christen Jahr um Jahr und bekennen: unter diesem Volk, das so fatal und boshaft kreuzige ihn! geschrieen hat, stand auch - ich.








Montag, 11. Oktober 2010

Marga Behrend an Nureddin




Lieber Nureddin,

Deine Ausführungen habe ich mir durchgelesen, nicht unbedingt en bloc, das wäre mir zu viel auf einmal gewesen, aber trotzdem möchte ich Dir zu dem einen und anderen doch eine Antwort geben.

Als Jesus gefangen genommen wurde, schlug einer seiner Jünger dem Diener des Hohnpriesters ein Ohr ab. Aber Jesus sagte zu ihm: "Stecke dein Schwert ein, oder soll ich den Kelch, den mir der Vater gegeben hat nicht trinken?" Also, so ganz ohne für ihren Meister einzutreten haben sich die Jünger nicht verhalten.

Auch in der Todesstunde war Er nicht allein. Sein Lieblingsjünger Johannes war bei ihm, ebenso seine Mutter Maria und Maria Magdalena und noch eine Maria. Sie harrten bei Ihm aus.

Was Du über die traurige Grundstimmung der Christen sagst, kann ich persönlich nicht nachvollziehen. Natürlich gehen auch wir Karfreitag immer wieder mit Jeus unter Tränen ans Kreuz, aber wir dürfen unter dem Kreuz nicht stehen bleiben. Die Geschichte endet schließlich mit der Auferstehung Jesu. Von Ostern bis zu seiner Himmelfahrt ist er immer wieder seinen Jüngern erschienen und hat mit ihnen
gesprochen. Wer ihn aber als erste sehen durfte, das war Maria-Magdalena und ihr Jubel kannte keine Grenzen:"Der Herr ist auferstanden, Er ist wahrhaftig auferstanden!"

Vielleicht hast Du ja die Möglichkeit, Dir einige Barockkirchen in Süddeutschand anzuschauen, welche diesen Jubel wirklich ausstrahlen, ebenso die Kirche in St.Gallen in der Schweiz.

Nun zu diesem schwer verständlichen Punkt, weshalb der Sanhedrin, also der höchste religiöse Rat der Juden, Jeseus an die Römer zum Zwecke der Hinrichtung ausgeliefert hat. Dafür gibt es zwei Gründe:
Erstens persönliche Eitelkeit und zweitens der Gehorsam Gott gegenüber.

Als Jesus 12 Jahre alt war, hat er schon die Rabbiner tief beeindruckt mit dem Wissen, das Er über den jüdischen Glauben bezeugte. Aber da hatten sie noch nichts gegen Ihn. Er war ja ein Kind, was hätte er schon gegen sie unternehmen können. In Seinen 3 letzten Lebensjahren aber ist Er immer wieder gegen sie zu Felde gezogen und hat ihnen bewiesen, dass sie die Gebote Gottes falsch auslegen. Da wäre die Geschichte mit dem barmherzigen Samariter. Die Juden dürfen am Sabbath nichts arbeiten, und so ließ ein frommer Juden einen verunglückten Juden einfach am Weg liegen. Ein Jude aus der wenig geachteten Provinz Samaria, aber half dem Unglücklichen. Jesus verkündete, dass sich alle so verhalten sollten wie der Samariter und zog sich natürlich den Zorn der Schriftgelehrten zu.

Dann hat er die Verkäufer vom Tempelberg vertrieben und vieles mehr. Er war den jüdischen religiösen Führungsleuten einfach ein
Dorn im Auge.

Die andere Seite ist folgende: Als Moses die 10 Gebote von Gott erhielt da fragte er:"Was soll ich meinem Volke sagen, wer mir die 10 Gebote diktiert hat?" und Gott antwortete ihm: Ich-bin-der-ich-bin. Hebräisch: "Jot He Vau He".

Als Jesus vom Sanhedrin verhört wurde fragte man Ihn:"Wer bist Du?" Und er antwortete: "Ich bin, der ich bin. Da zerissen alle Männer mit einigen Ausnahmen ihre Kleidung und schrien: "Das ist Gotteslästerung". Ja, ich will sie nicht entschuldigen, aber sie mussten so handeln, denn dass Jesus der erwartete Messias war, das konnten sie nun eimal nicht erkennen. Nur wenigen, man schätzt 800 Menschen, war es zu Seinen Lebzeiten geschenkt, Ihn zu erkennen. Es blieb dem Sanhedrin gar nichts anderes übrig,als über Ihn die Höchststrafe zu verhängen.

Gott selbst wird über jeden von ihnen urteilen und wir, die wir so wenig wissen, haben kein Recht diese zu verurteilen.

Die Botschaft Gottes an den Menschen, die Jesus bis zum letzten Punkt in größter Qual an die Menschheit gegeben hat, ist die Vergebung."Herr, vergib Du ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun" ist sein vorletztes Wort.Folgerichtig war dann sein letztes Wort:"Es ist vollbracht." Dafür war Er in die Welt gekommen, damit die Menschheit endlich lernt, im Frieden miteinander zu leben und das kann ja nur funktionieren, wenn wir ständig einander alles vergeben, denn wie lange ist es her, dass ich jemandem, wenn auch unabsichtlich auf den Fuss getreten habe. Ach ja!!!! Es war gestern!!!!! (wahr und wahrhaftig) und ich hoffe, dass er mir verziehen hat.

Jesus hat es uns vorgelebt, dass es möglich ist, zu vergeben und Frieden zu halten. "Folge mir nach", heißt nicht unbedingt, folge mir nach bis ans Kreuz, sondern es heißt: Folge mir nach durch alle Prüfungen, die Gott Dir auferlegen wird und halte fest an der Bereitschaft zum Frieden und zur Vergebung.

Dass es auch einen heiligen Zorn gibt, der sehr wichtig ist, denn manchmal braucht die Menschheit auch jemanden, der sie mit angemessenen Mitteln erzieht, steht außer Frage, ist aber wieder ein anderes Thema.

Herzliche Grüße
Marga



Samstag, 9. Oktober 2010

Nureddin zu "Verrat"




Jesus (Friede sei mit ihm) wird in diesem Kapitel von einem Freund verraten und von den Gelehrten an die Römer ausgeliefert. Das ist nahezu makaber und hochbrisant, weil man eine solche Behandlung eher von Fremden erwarten würde, von Feinden. Aber hier wird noch einmal deutlich, dass Blutsnähe weniger ist als Glaubensnähe. Als ein naher Außenstehender, der ich in Bezug auf das Christentum bin, sehe ich die depressiv stimmenden Folgen des hier ausgelösten Schocks immer noch im christlichen Glauben.

Mich wundert zum Beispiel, dass gerade das Mordinstrument Kreuz, mit dem nach christlichem Glauben, der Mord an Jesus (FSMI) verübt wurde, von den Christen als Symbol für das Christentum genommen wird. Ich fände es verständlicher, wenn die Mörder, also die Römer oder die jüdischen Gelehrten, dieses Symbol als Erinnerung mit sich tragen würden. Mir fällt außerdem auf, dass die meisten Kirchen, wenn auch etwas weniger bei den evangelischen, eher dunkle Gemäuer, mit kleinen, verdunkelten Fenstern und möglichst wenig Licht haben. Beim Anblick einer orthodoxen oder katholischen Kirche von außen oder innen überkommt mich meist eher ein Schauer statt Respekt vor Gott. Die Kirchenglocken klingen im Verhältnis zu einer schönen Menschenstimme eher kalt und tot.

Ich erkenne darin einen Sinn, der einer tief depressiven Stimmung entspricht, die auf den traurigen Beginn der christlichen Religion und auf diese traurigen letzten Stunden Jesu (FSMI) zurückzuführen ist. Für mein Empfinden ist diese Grundhaltung zwar verständlich aber nicht sehr richtig, und auf mich wirken diese Dinge insgesamt nicht sehr einladend.

Was ich auch für sehr interessant finde ist, dass Jesus (FSMI) schon wieder, wie an vielen anderen Stellen im Evangelium auch, sich als Menschensohn benennt. Diese Aussage deckt sich mit der Fortsetzung des Evangeliums, dem Koran. Dort wird Jesus (FSMI) als Sohn Marias benannt. Diese Aussagen liegen damit im direkten Widerspruch zu den Stellen im Evangelium, welche die Gottessohnschaft Jesu (FSMI) benennen. Hier müssen sich die Christen meines Erachtens klarer positionieren und sich für eine der beiden Aussagen entscheiden.

Mein Vorschlag ist natürlich, dass Jesus (FSMI) Sohn des Menschen und Gottes Geschöpf ist. Das entspricht der monotheistischen Rolle des Christentums mehr, das andere ist eher götzenhaft.

Das andere Thema ist der Verrat Jesu (FSMI). Judas gehört auch nach der islamischen Überlieferung zunächst zu den zwölf Aposteln. Durch sein Handeln entpuppt er sich allerdings als Verräter und überliefert Jesus (FSMI) den Römern. Das seltsam ängstliche Verhalten Jesu(FSMI), der merkwürdige fehlende Schutz durch die Apostel für Jesus (FSMI) in der Stunde des Verrats wirken nach meinem Geschmack ein wenig so, als ob sie dem Erfindungsgeist der späten Niederschrift des Evangeliums geschuldet sind. Weder Jesus (FSMI) noch die Apostel konnten meines Erachtens in Wirklichkeit eine solche Rolle spielen.

Es gibt unterschiedliche Meinung darüber, von wem und vor allen Dingen wann die Evangelien niedergeschrieben worden sind. Ich werde um meines Freundes Christian Willen nicht noch einmal an dieses Thema herangehen und will deshalb an dieser Stelle nur am Rande bemerken, dass es hier noch sehr viel offenen Diskussionsstoff gibt, den man als Christ kritisch untersuchen sollte.

Das Verhältnis von Heidenchristen zu Judenchristen finde ich als Muslim sehr interessant. Manche Gedanken hierzu stammen nicht von uns Muslimen sondern von hinterfragenden Christen, und deren Sicht deckt sich mit der islamischen Sicht.

In Wikipedia steht
:

Das jüdische Urchristentum zeichnet sich als eine der damaligen Strömungen des Judentums durch den kollektiven Glauben an den nahe bevorstehenden Weltuntergang und das Endgericht durch Gott aus.

Es erfolgte im späten 1. Jahrhundert jedoch auch eine Missionierung und Aufnahme auch nicht-jüdischer, heidnischer Menschen in das Urchristentum, die nicht mehr die jüdischen Speisegebote, Reinheits- und Schabbatgebote und das Gebot der Beschneidung erfüllen mussten. Es bildete sich das Heidenchristentum, das den Menschen des römisch-griechischen Kulturraumes entgegenkam und die Notwendigkeit der Bildung in der hebräischen Sprache, z.B. für die vielen Armen, Ungebildeten, Unterschichten oder Sklaven des römischen Imperiums erübrigte. Die Mitgliedszahlen der Heidenchristengemeinden stiegen rasch. Diese Missionsaktivitäten und anderes führten zur Abspaltung der jungen entstehenden christlichen Kirche von den jüdischen Gemeinden und der Lehre des Jesus von Nazareth und zur Verfolgung der ursprünglichen judenchristlichen Gemeinden jüdischer Tradition durch die junge christliche Kirche. Das Missionsgebiet umfasste zu dieser Zeit das östliche Mittelmeergebiet, wo die griechische und römische Sprache verbreitet war und die großen Kulturzentren lagen. Soziale und politische Spannungen „lagen auf der Straße“, Angst vor dem Einfall der Barbaren herrschte vor und das römische Imperium war im Kampf mit seiner jüdischen Provinz, in der es immer wieder Aufstände und Unruhen, religiöse Führer und Prediger gab, vor allem in Jerusalem mit dem jüdischen Tempel.

Die vorherige Religionszugehörigkeit jener Menschen umfasste den weiten Bereich der im römischen Reich verbreiteten Religionen und Philosophien. Es gab Anhänger der Götter des griechischen und römischen Pantheon oder des ostpersischen Mithras-Kultes. Philosophien jener Zeit waren unter anderem der Platonismus, die Sophistik und die der Epikureer. Die soziale Zugehörigkeit jener Menschen umfasste hauptsächlich den weiten Bereich von Randgruppen, sozialer Unterschicht, Sklaven, Entrechteten, aber auch reichen römischen Witwen und gebildeten Vollbürgern.

Verfolgungen der Judenchristen

Judenchristen werden als solche bezeichnet, wenn sie ihre jüdischen Traditionen und Vorschriften wie die Beschneidung und die Speisegebote beibehielten. Sie behielten auch ihren jüdischen Glauben, der Jesus als den Messias erkannte, jedoch nicht verlangte Jesus als Gott, den Herrn anzubeten, sondern nur den einen ungeteilten Gott. Dies ist ein Unterschied zu den sich heute wieder stark auf den Juden Jesus beziehenden protestantischen freikirchlichen messianischen Juden oder Baptisten, die Judenmission betreiben. Diese heutigen „Judenchristen“ beten Jesus als Gott an.




Freitag, 8. Oktober 2010

Verrat




Und sie kommen an ein Gut mit Namen Gethsemane, und er spricht zu seinen Jüngern: Setzt euch hier, bis ich gebetet habe! Und er nimmt den Petrus und Jakobus und Johannes mit sich und fing an, sehr bestürzt und geängstigt zu werden. Und er spricht zu ihnen: Meine Seele ist sehr betrübt, bis zum Tod. Bleibt hier und wacht! Und er ging ein wenig weiter und fiel auf die Erde; und er betete, daß, wenn es möglich sei, die Stunde an ihm vorübergehe. Und er sprach: Abba, Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir weg! Doch nicht, was ich will, sondern was du willst! Und er kommt und findet sie schlafend, und er spricht zu Petrus: Simon, schläfst du? Konntest du nicht eine Stunde wachen? Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt! Der Geist zwar ist willig, das Fleisch aber schwach. Und er ging wieder weg, betete und sprach dasselbe Wort. Und als er zurückkam, fand er sie wieder schlafend, denn ihre Augen waren beschwert; und sie wußten nicht, was sie ihm antworten sollten. Und er kommt zum dritten Mal und spricht zu ihnen: So schlaft denn fort und ruht aus! Es ist genug; die Stunde ist gekommen, siehe, der Sohn des Menschen wird in die Hände der Sünder überliefert. Steht auf, laßt uns gehen! Siehe, der mich überliefert, ist nahe.

Und sogleich, während er noch redet, kommt Judas, einer der Zwölf, heran und mit ihm eine Menge mit Schwertern und Stöcken, von den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und den Ältesten. Der ihn überlieferte, hatte ihnen aber ein Zeichen gegeben und gesagt: Wen ich küssen werde, der ist es. Den greift, und führt ihn sicher fort! Und als er kam, trat er sogleich zu ihm und spricht: Rabbi! und küßte ihn. Sie aber legten ihre Hände an ihn und ergriffen ihn. Einer der Dabeistehenden aber zog das Schwert, schlug den Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm das Ohr ab. Und Jesus begann und sprach zu ihnen: Seid ihr ausgezogen wie gegen einen Räuber mit Schwertern und Stöcken, mich zu fangen? Täglich war ich bei euch, lehrte im Tempel, und ihr habt mich nicht ergriffen; - aber damit die Schriften erfüllt werden ! Und es verließen ihn alle und flohen. Und ein junger Mann, der ein Leinenhemd um den bloßen Leib geworfen hatte, folgte ihm, und sie ergreifen ihn. Er aber ließ das Leinenhemd fahren und floh nackt.

Und sie führten Jesus weg zum Hohenpriester; und alle Hohenpriester und Ältesten und Schriftgelehrten versammeln sich. Und Petrus folgte ihm von weitem bis hinein in den Hof des Hohenpriesters; und er saß nun mit bei den Dienern und wärmte sich am Feuer. Die Hohenpriester aber und der ganze Hohe Rat suchten Zeugnis gegen Jesus, um ihn zu Tode zu bringen; und sie fanden keins. Denn viele legten falsches Zeugnis gegen ihn ab, und die Zeugnisse waren nicht übereinstimmend. Und einige standen auf, legten gegen ihn falsches Zeugnis ab und sprachen: Wir hörten ihn sagen: Ich werde diesen Tempel, der mit Händen gemacht ist, abbrechen, und in drei Tagen werde ich einen anderen aufbauen, der nicht mit Händen gemacht ist. Und auch so war ihr Zeugnis nicht übereinstimmend. Und der Hohepriester stand auf, trat in die Mitte und fragte Jesus und sprach: Antwortest du nichts? Was zeugen diese gegen dich? Er aber schwieg und antwortete nichts. Wieder fragte ihn der Hohepriester und spricht zu ihm: Bist du der Christus, der Sohn des Hochgelobten? Jesus aber sprach: Ich bin es! Und ihr werdet den Sohn des Menschen sitzen sehen zur Rechten der Macht und kommen mit den Wolken des Himmels. Der Hohepriester aber zerriß seine Kleider und spricht: Was brauchen wir noch Zeugen? Ihr habt die Lästerung gehört. Was meint ihr? Sie verurteilten ihn aber alle, daß er des Todes schuldig sei. Und einige fingen an, ihn anzuspeien und sein Angesicht zu verhüllen und ihn mit Fäusten zu schlagen und zu ihm zu sagen: Weissage! Und die Diener schlugen ihn ins Gesicht.

Und als Petrus unten im Hof war, kommt eine von den Mägden des Hohenpriesters, und als sie den Petrus sich wärmen sah, blickte sie ihn an und spricht: Auch du warst mit dem Nazarener Jesus. Er aber leugnete und sprach: Ich weiß nicht, verstehe auch nicht, was du sagst. Und er ging hinaus in den Vorhof. Und als die Magd ihn sah, fing sie wieder an, zu den Dabeistehenden zu sagen: Dieser ist einer von ihnen. Er aber leugnete wieder. Und kurz nachher sagten wieder die Dabeistehenden zu Petrus: Wahrhaftig, du bist einer von ihnen, denn du bist auch ein Galiläer. Er aber fing an, sich zu verfluchen und zu schwören: Ich kenne diesen Menschen nicht, von dem ihr redet. Und sogleich krähte zum zweiten Mal der Hahn. Und Petrus gedachte des Wortes, wie Jesus zu ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er begann zu weinen.


(Kapitel 14, 32 – 72)

Bis zu diesem Moment hat Jesus einen nicht unerheblichen Schutz genossen – am Tag durch die Menge der ihm zuhörenden und ihn verehrenden Juden im Tempel, bei Nacht durch die Dunkelheit und den unbekannten Aufenthaltsort in Betanien. Auf seinem täglichen Weg zu diesem Dorf verläßt er auch an dem Abend, an dem sich unsere Geschichte fortsetzt, Jerusalem in östliche Richtung, durchquert ein Bachtal und nimmt dann den hier recht steilen Weg hinauf auf den Ölberg. Auf der anderen Seite dieses Berges liegt Betanien.

Auf halbem Weg zum Ölberg hinauf liegt das chorion Gethsemane, wie es im griechischen Urtext heißt, ein Gut, ein Stück Land, das groß genug ist, einen Namen zu haben. Hier muß Jesus entlang, das weiß Judas mit seiner wilden Truppe, und der helle Vollmond des 15. Nisan macht es ihm zusätzlich leicht, Jesus und die Gruppe der Jünger zu finden.

In dem gesamten Kapitel gibt es außer Jesus keine einzige Figur, die unsere Sympathie verdient – vielleicht mit Ausnahme des jungen Mannes, der nicht sogleich flieht, dadurch in die Hände der Verfolger gerät und ihnen dann nackt entkommt. Manche Ausleger vermuten, daß unser Evangelist Markus selbst dieser junge Mann war.

Alle anderen sind Verräter, Verleugner, falsche Zeugen, ungerechte Richter. So sind also die Menschen! So sehen es jedenfalls die Christen, die dies lesen. Und die Christen bleiben von dieser Erkenntnis her sehr oft, besonders in den Augen der Moslems, ein Volk, das in seinem Innersten verunsichert und verschüchtert ist. Sie leben als ob sie mit einem Buckel geboren wären, wie Yaşar Nuri Öztürk schreibt, mit einem sehr zornigen Unterbewußtsein.

Ich habe gelernt, den Spiegel zu ertragen, den unsere muslimischen Nachbarn uns hier vorhalten. Ich halte ihn sogar im Prinzip für richtig, mache allerdings gerne geltend, daß ein von seinem Buckel befreiter Mensch möglicherweise freier lebt und mehr erreicht als der Gesunde, der nie eine Behinderung gekannt hat.

Wie auch immer – am Ende seines Lebens muß Jesus erleben, daß er seine Sendung auf diese Welt vollkommen allein und nur auf sich gestellt an ihr Ziel bringen muß.



Mittwoch, 6. Oktober 2010

Nureddin zu "Ein altes und ein neues Passah"




Uns Christen und Muslime verbindet der Glaube an Jesus (Friede sei mit ihm). Selbst wenn Christen sich als den Juden näher ansehen, sind sich Christen und Muslime in diesem Punkt näher als Christen und Juden. Ohne die jüdisch-christliche Tradition zu verkennen, könnte man hieraus eine Verbundenheit statt einer Rivalität mit dem Islam ableiten.

Wir Brückenbauer müssen erfinderisch sein, wenn es darum geht, für eine ersehnte Zusammenarbeit der Zivilisationen und damit für einen Weltfrieden zu arbeiten. In der modernen globalen Welt wird es immer durchmischte Gesellschaften geben. Wir können es uns deshalb nicht leisten, dass wir unsere Nachbarn, Arbeitskollegen oder Mitschüler als unsere Feinde oder Gegner ansehen. Das Christentum, das Judentum und der Islam sind allesamt aus dem Osten in den Westen gekommen. Der Islam ist als letzter ebenfalls ein Teil der westlichen Welt geworden, aus der er nicht mehr wegzudenken ist. Der neue Bundespräsident betonte vor kurzem diese Tatsache.

Wenn es darum geht, Unterschiede zu suchen, wird man schnell fündig werden, und es wird sich nichts zum Positiven verändern. Wenn es um Unterschiede geht, gibt es auch viele davon zwischen Christentum und Judentum. Die Schriftgelehrten und die Obrigen der alten Zeit, die maßgeblich für den Tod Jesu (FSMI) verantwortlich waren, sind Juden gewesen und nicht Muslime. Natürlich liegen jetzt 2000 Jahre dazwischen, die Juden unserer Zeit kann man nicht dafür verantwortlich machen, und es musste ja auch so geschehen, wie Jesus (FSMI) es selbst prophezeit hatte, damit das Schicksal seinen Lauf nehmen konnte und viele Dinge in der Folge auch auf dieser Grundlage geschehen konnten - auch der Auftrag für Mohammed (FSMI) - aber trotzdem ist die Tatsache der jüdischen Gewaltanwendung zunächst einmal da. Man kann den Islam nicht einseitig als eine Bedrohung ansehen, selbst wenn man den 11. September und andere Anschläge betrachtet. Die beiden Weltkriege und die Ausrottung und Versklavung ganzer Völker und Stämme wurden nicht von Muslimen verursacht, aber das ist ein anderes Thema.

Die letzten Stunden eines Menschen sind für die Angehörigen immer sehr schmerzhaft und traurig. Wenn es hierbei um einen besonderen Menschen handelt, gibt es um so mehr trauernden Angehörige und Anhänger. Wenn ein berühmter Mensch, etwa ein Politiker oder ein Schauspieler verstirbt, betrifft es gleich die Massen. Wenn ein Prophet verstirbt, betrifft es sogar die Welten.

Die Muslime haben auf den Tod eine etwas andere Sicht, die mir besonders gefällt. Eigentlich sehen wir darin die Fahrkarte für das eigentliche, das ewige Leben nach unserer Zeit auf der Erde. Wenn man ein anständiges, gottgefälliges Leben gelebt hat, ist der Tod eine Erlösung von jeglicher weltlicher Not. Kein Altern mehr, keine Kriege, keine Armut, kein Elend, keine Krankheiten. Der Tod ist außerdem ein Wiedersehen mit allen, die uns vorausgegangen sind, die uns etwas bedeuten. Unsere Großeltern werden wir sehen, die Eltern, die Frau oder den Mann, wenn sie uns vorangegangen sind. Jesus (FSMI) werden wir sehen, Moses, Mohammed und alle anderen (FSMI allen) sind bereits dort und warten auf uns. Selbst der barmherzige, liebe Gott wird sich uns mit seiner einzigartigen Pracht dort zeigen. Ein gläubiger Muslim freut sich deshalb eigentlich auf den Tod, er trauert nur um die Trennung von seinen Lieben im Diesseits. Je weiter unser Glaube ist, desto stärker ist die Freude auf das Zusammenkommen mit den Geliebten.

Im Prinzip ist der Glaube an das Leben nach dem Tode bei Christen und Muslimen nicht unterschiedlich. Jedoch haben die Lehren der Aufklärung bei den Christen den Glauben an das Jenseits unfester gemacht als es von den göttlichen Texten her sein könnte und als es bei uns weiterhin ohne Einschränkung ein fester, unzertrennlicher Teil unseres Glaubens ist. Ich hoffe, dass die modernen muslimischen Gelehrten und Wissenschaftler in Zukunft in dieser Frage bessere, allgemeingültige und von allen anerkennbare Antworten finden werden und dass dadurch nicht nur ihr Glaube fester wird, sondern insgesamt der Glaube aller Gläubigen, Juden, Christen, Muslime gleichermaßen. Was das angeht, bin ich optimistisch, weil der Islam schon immer eine offenere Position in Bezug auf die Wissenschaft und den Fortschritt hatte und hat als das Christentum.

Das besagte Passahfest, ähnelt unserem Kurban Bayrami, unserem Opferfest. Selbst wenn es nicht wie bei unserem Opferfest den Ursprung in Abrahams Prüfung mit der Schlachtung des Opfertieres statt seines Sohnes hat, steht in beiden Festen dennoch ein Opfern für Gott im Vordergrund und bildet deshalb etwas Gemeinsames. Wir Muslime opfern auch außerhalb des Opferfestes Opfer für besondere Anlässe, besondere Wünsche etc. um ein Gehör bei Gott zu finden. Aber schon im Koran steht sinngemäß, dass weder das Blut, noch das Fleisch der Opfertiere Gott erreicht, sondern nur aufrechte Ergebenheit, die mit dem Verrichten des Opferaktes unter Beweis gestellt wird.

Wir Muslime sind natürlich auch Menschen und deshalb nicht unfehlbar, wir begehen Sünden und leisten uns Fehltritte. Wir sollen deshalb viel um Vergebung unserer Sünden bitten. Aber wir wissen, dass wir als Muslime kein Wort Gottes ändern oder ignorieren dürfen. Wenn er uns befiehlt, ein Opfertier zu schlachten, dann schlachten wir es. Ob wir es tun oder nicht, ist etwas anderes. Wir wissen, dass selbst wenn wir es nicht gemacht haben, ein Opferersatz als Geldspende etc. nicht gilt, auch wenn natürlich eine Spende an Arme für Gott auch als eine sehr schöne Form der Hingabe und des Dienstes an Gott anerkannt ist.

Hier in diesem Kapitel ist eine große Anzahl an allerschlimmsten Fehltritten zu sehen. Dass Jesus (FSMI) gerade an einem Festtag und auch noch von angeblichen Gelehrten umgebracht werden soll, ist geradezu ungeheuerlich. Es überkommt mich eine tiefe Trauer und ich empfinde 2000 Jahre später einen Schmerz in meinem Herzen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Gelehrten den Foltertod selbst herbeiführen, oder ob sie diese Aufgabe den Römern übertragen. Fest steht, sie haben eine große Sünde begangen, die nur Gott vergeben kann. Gott ist groß und barmherzig. Was er mit ihnen anstellt, weiß ich nicht. Fest steht, dass der Himmel nicht kostenlos ist und die Hölle nicht umsonst. Aber, ich könnte mir vorstellen, dass Jesus (FSMI) während seiner Exekution sich Sorgen auch um die Seelen seiner Mörder gemacht hat und die Spuren der Folter als Amulette der besonderen Hingabe zu Gott tragen wird. Darin besteht eben der Unterschied eines Propheten zu uns einfachen Menschen und seine Unvergleichbarkeit.

Wir Muslime glauben, dass Jesus (FSMI) von Gott errettet worden ist, und dass der Verräter Judas am Kreuz hing, aber das erwähne ich nur als Zusatzinformation am Rande und sage später dazu mehr.