Freitag, 15. Oktober 2010

Nureddin zu "Der letzte Weg"






Die frohe Botschaft zu Beginn: Jesus (Friede sei mit ihm) ist nicht tot. Nach islamischen Quellen hat Gott, seinen geliebten Jesus (FSMI) vor den Foltern und dem Tode gerettet, damit er zu einer anderen Zeit wiederkehrt und als Messias die gläubigen Menschen rettet. Im Gotteswort Koran steht im Kapitel 4 (Sure Nisa / Die Frau, Vers 157):

Und weil sie sprachen: "Siehe, wir haben den Messias Jesus, den Sohn der Maria, den Gesandten Allahs, getötet" - doch sie töteten ihn nicht und kreuzigten ihn nicht (zu Tode), sondern es erschien ihnen nur so - (darum straften Wir sie). Und siehe, diejenigen, die darüber uneins sind, sind wahrlich im Zweifel über ihn. Sie wissen nichts davon, sondern folgen nur Vermutungen. Und Sie töteten ihn mit Gewissheit nicht.

Aus diesem Vers geht außerdem hervor, dass es möglicherweise zu Diskussionen gekommen ist, ob Jesus (FSMI) gekreuzigt wurde oder nicht. Der nächste Vers klärt diese Auseinandersetzung auf, nämlich dass Jesus (FSMI) zu einer anderen Dimension erhoben worden ist:

Ganz im Gegenteil: Allah erhöhte ihn zu Sich; und Allah ist mächtig und weise. (Sure Nisa, 158)

Wir Muslime sagen daher, wie manche fromme Christen auch: Jesus lebt! Aber eben, weil er gar nicht sterben musste.

Nach islamischer Überlieferung ist der Verräter Judas, als Strafe für seinen Verrat anstelle von Jesus (FSMI), gekreuzigt worden. Vor seiner Hinrichtung, versuchte er vergebens, glaubhaft zu machen, dass er nicht Jesus (FSMI) ist, um so dem Tod zu entkommen. Auch nach christlichen Quellen, verschwindet er nach der Kreuzigung, aber dort spricht man über einen Selbstmord.

Jesus (FSMI) wird im Islam liebevoll als Messias oder der Geist Gottes (Ruhullah) genannt, weil er mit einem Wunder, nämlich ohne einen Vater zur Welt gekommen ist. Keinen andern nennt Gott Ruhullah. Gott hat Maria (Friede sei mit ihr) von seinem eigenen Licht eingehaucht und den Erzengel Gabriel mit dieser Aufgabe beauftragt. Maria (FSMI) ist als ein Wunder ohne einen Mann schwanger geworden. Naturalisten werden dies nicht akzeptieren. Aber wer die Natur erschaffen hat, wird sie mit Leichtigkeit verändern können. Wir Menschen können das nicht, weil die Fähigkeit zur Erschaffung der Natur und zur Außerkraftsetzung ihrer Gesetze nur Gottes Eigenschaft ist.

Diese Zeilen können aber auch Interpretationen auslösen, und sie haben sie auch ausgelöst. Ich vermute, darüber stritten sich die zwei verschiedenen Lager der frühen Christen, nämlich über die Gottessohnschaft Jesu (FSMI). Erst viel später, durch den Einfluss der Römer im Konzil von Nicea (um 350 n.Chr.) wurde die Gottessohnschaft ein fundamentaler Bestandteil des Christentums. Einige Bibelschriften der Judenchristen, die das Gegenteil aussagten, wurden zu Apokryphen erklärt und als solche vernichtet, und die Christen, die danach lebten, wurden brutal verfolgt. Der Koran gibt den Judenchristen Recht und hinterlässt hier keinen Zweifel. In Sure 112 (Ikhlas / Reinheit im Glauben) heißt es:

Sprich: "Er ist Allah, ein Einziger (1), Allah, der Absolute (Ewige Unabhängige, von Dem alles abhängt). (2) Er zeugt nicht und ist nicht gezeugt worden (3), und Ihm ebenbürtig ist keiner." (4)

Jesus (FSMI) ist durch Wunder zur Welt gekommen und durch ein zweites Wunder von dieser Welt gegangen. Wir glauben, dass er eines Tages zurückkehren , seine Anhänger zu Ikhlas (Reinheit im Glauben) aufrufen und sich mit den Muslimen verbünden wird. Wir wissen auch, dass nicht alle ihn erkennen und anerkennen werden und weiterhin ein Teil davon nicht den Weg der Judenchristen sondern den Weg der römisch beeinflußten Heidenchristen gehen wird.

Wie es auch sei, in diesem Kapitel wird versucht, Jesus (FSMI) ein schreckliches Szenario aufzuerlegen. Wenn man sich die Allianz der Hinrichtenden (Hohenpriester mit den Ältesten und Schriftgelehrten und dem ganzen Hohen Rat) anguckt, wird deutlich, zu welchem Zweck Gott Jesus (FSMI) beauftragt hat. Es muß eine schlimme Zeit für Moral, Ethik und Religion gewesen sein. Alle diejenigen, die für Religion, Ordnung und Glaube da sein sollten, haben die Religion zu ihrem eigenen Vorteil verändert und damit ihren Glauben verraten. Sie machten viele üble Dinge im Gewand ihrer religiösen Macht, und sie erklärten, diese im Namen Gottes zu tun. Wenn ich auf die späteren Zeiten und auf unsere Zeit schaue, finde ich, daß sich diese Vorgehensweise leider in allen Religionen wiederholt.

Wünschenswert wäre es immer, wenn die Gläubigen erst bei sich, dann in ihrer Kirche oder Moschee oder Synagoge oder ihrem Tempel wieder zur Reinheit im Glauben des Glaubens aufrufen und zu ihm zurückkehren würden - und erst dann versuchten, die Welt zu verbessern. Noch besser wäre es, dies alles zeitgleich zu machen, denn wir leben leider in einer sehr schwierigen Zeit, und die knappe Zeit ist kostbarer denn je. Die Menschen brauchen Vorbilder, die das leben, was moralisch, ethisch und religiös richtig ist und die das nicht nur predigen. Es fehlt überall an Glaubwürdigkeit. Die Menschenmassen laufen nach meinem Eindruck den Kirchen aufgrund von deren Unglaubwürdigkeit weg.

Einen deutlichen Unterschied zwischen Islam und Christentum sehe ich im Glauben an die Sündenvergebung. Im Christentum wird Jesus (FSMI) für die Sünden anderer bestraft. Die Sünder kommen dadurch frei und kommen ins Paradies. Das hieße aber auch, dass man sündigen kann wie man will, man wird nicht bestraft. Besonders alltagstauglich und abschreckend ist diese Methode sicherlich nicht.

Der Islam kennt diese Praxis nicht. Jeder wird persönlich für seine Sünden von Gott zur Rechenschaft gezogen. Jede noch so eine kleine Sünde kommt vors Gericht und jeder Sünder muss Rechenschaft ablegen. Ein Muslim zu sein, bedeutet nicht, einen Freischein vor der Strafe zu haben. Wie sollte es auch? Jeder Mensch bekommt die gleiche Chance im Leben. Gott ist gerecht und behandelt alle Menschen gleich.

Dass die Propheten für die Sünden ihrer Gefolgschaft bei Gott um Vergebung bitten werden, ist auch bei uns anerkannt, aber jeder büßt für sich. Wir sind auch ebenso in Bezug auf die Gnade Gottes hoffnungsvoll, aber eine Sicherheit haben wir nicht. Ich meine auch, daß eine solche absolute Sicherheit in Bezug auf die Gerechtigkeit Gottes sehr widersprüchlich wirkt. Muslime bewegen sich zwischen Hoffnung und Sorge. Hoffnung auf die Gnade und Sorge über das Gericht.
Aus diesem islamischen Gedanken lässt sich ausserdem ableiten, dass die Kinder für die Sünden ihrer Eltern oder Vorfahren nicht bestraft werden dürfen. Deshalb dürften verschiedene Rassismen wie etwa der Antisemitismus für die Muslime keine Rolle spielen. Dass die Schriftgelehrten, die Jesus verurteilten, und ihr Volk jüdisch waren, gibt daher niemandem das Recht, antisemitische Gedanken zu hegen.

Große Sünden wie Mord und Völkermord sind besonders schlimm. Sie werden in allen Religionen verboten. Eine Steigerung zum Negativen hin ist der Mord im vermeintlichen Sinne der Religion. Das betrifft z.B. die Selbstmordattentäter. Wir sind keine Richter über die Schicksale anderer. Gott wird alleine diese Entscheidung haben, aber den Gedanken, dass solche Menschen ungestraft davon kommen sollen, weil jemand für sie bereits gestorben ist, finde ich nicht gerecht. Wenn Gott sogar kleine Sünden zur Rechenschaft ziehen wird, wird er bei den großen erst recht kein Auge zudrücken. Er liebt es, Gnade vor Recht walten zu lassen, aber wie das Ergebnis am Ende ausschaut bleibt ein Geheimnis.

Zur Frage, wer Jesus (FSMI) getötet hat, ist meine Antwort: alle, die das gutgeheißen, befürwortet, veranlasst und ausgeführt haben. Im Islam gilt die Regel:

Wer etwas veranlasst, ist genau wie jemand, der es tut.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Unterstellung der Römer, Jesus (FSMI) sei der Judenkönig. Damit unterstellt man ihm eine zweite Machtstellung neben den Römern anzustreben. Dies ist aber sicher nicht die Absicht Jesu (FSMI). Das wissen auch die Römer, aber sie brauchen einen Vorwand für den Tod am Kreuz. Ich sehe hier eine Parallele zu uns heutigen Muslimen. Man unterstellt den Muslimen, sie würden die Scharia neben den Gesetzen der Länder, in denen sie leben, anstreben, um einen Gottesstaat aufzubauen. Man unterstellt ihnen eine Unterwanderung des Grundgesetzes etc. Ich widerspreche diesem Unsinn mit Entschiedenheit, so wie ich dem Unsinn des Judenkönigs widerspreche.

Die Scharia regelt das religiöse Leben gläubiger Muslime und ist vergleichbar mit der christlichen Enzyklika. Die Scharia regelt zwei Bereiche. Der eine Bereich, der kleinere von beiden, ist das islamische Regelwerk, welches den Staat betrifft. Der andere, größere betrifft das religiöse Leben des Einzelnen. In einem Staat, in dem es nach Recht und Ordnung zugeht und in dem Gerechtigkeit herrscht, in dem die Menschenrechte und der Frieden beachtet werden, wird der erste Teil der Scharia bereits eingehalten. Dieser Staat handelt im Sinne des Islams, auch wenn er sich nicht danach benennt. Umgekehrt ist ein Staat, der sich islamisch nennt, nicht unbedingt damit gemeint. Wichtig ist das Ergebnis der staatlichen Praxis - ein auf Diktatur ausgehendes Regime oder eine af Freiheit und Demokratie ausgehende Ordnung.

Unser Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist für Muslime völlig ausreichend. Es sorgt dafür, dass die islamischen Anforderungen an den Staat erfüllt werden. Das demokratische, freiheitliche Recht- und Ordnungssystem der Bundesrepublik ist also islamkonform. Das gilt für die übrigen EU-Staaten und den übrigen Staaten des „Westens“ ebenfalls. Sicherlich kann dieses System noch verbessert werden, falls dafür Bedarf besteht. Dafür gibt es ein Parlament, in dem das beraten und entschieden wird.

Folglich haben die meisten Muslime keine Probleme mit dem Grundgesetz. Sie leben gesetzestreu nach diesem Gesetz und nach den anderen Gesetzen der Länder in denen sie leben und streiten sich nicht darum, diese zu unterwandern oder zu zerstören, genau so wenig wie Jesus (FSMI) es getan hätte. Über die wenigen Fanatiker braucht man nicht zu sprechen, einen gewissen Anteil von ihnen gibt es überall (siehe Diskriminierungen, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsradikale etc).


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