Sonntag, 7. März 2010

Sabbat





Und es geschah, daß er am Sabbat durch die Saaten ging; und seine Jünger fingen an, im Gehen die Ähren abzupflücken. Und die Pharisäer sagten zu ihm: Sieh, was tun sie am Sabbat, das nicht erlaubt ist? Und er spricht zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er Mangel hatte und als ihn und die, die bei ihm waren, hungerte? Wie er in das Haus Gottes ging zur Zeit Abjatars, des Hohenpriesters, und die Schaubrote aß, die außer den Priestern niemand essen darf, und auch denen gab, die bei ihm waren? Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen geschaffen worden und nicht der Mensch um des Sabbats willen; somit ist der Sohn des Menschen Herr auch des Sabbats.

Und er ging wieder in die Synagoge; und es war dort ein Mensch, der eine verdorrte Hand hatte. Und sie lauerten auf ihn, ob er ihn am Sabbat heilen würde, damit sie ihn anklagen könnten. Und er spricht zu dem Menschen, der die verdorrte Hand hatte: Steh auf und tritt in die Mitte! Und er spricht zu ihnen: Ist es erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun oder Böses zu tun, das Leben zu retten oder zu töten? Sie aber schwiegen. Und er blickte auf sie umher mit Zorn, betrübt über die Verhärtung ihres Herzens, und spricht zu dem Menschen: Strecke die Hand aus! Und er streckte sie aus, und seine Hand wurde wiederhergestellt. Und die Pharisäer gingen hinaus und hielten mit den Herodianern sofort Rat gegen ihn, wie sie ihn umbringen könnten.

Und Jesus entwich mit seinen Jüngern an den See; und es folgte eine große Menge von Galiläa und von Judäa und von Jerusalem und von Idumäa und von jenseits des Jordan und von der Gegend rings um Tyrus und Sidon, eine große Menge; da sie hörten, wieviel er tat, kamen sie zu ihm. Und er sagte seinen Jüngern, daß ihm wegen der Volksmenge ein Boot bereitgehalten werden sollte, damit sie ihn nicht drängten. Denn er heilte viele, so daß alle, die Leiden hatten, sich auf ihn stürzten, um ihn anzurühren. Und wenn die unreinen Geister ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder und schrien und sprachen: Du bist der Sohn Gottes. Und er bedrohte sie sehr, daß sie ihn nicht offenbar machten.

(Kapitel 2,22 - 3,12)

Auch bei diesem Abschnitt frage ich mich, ob ein Moslem vielleicht etwas Neues daraus lesen kann. Zunächst – er wird (ganz ähnlich wie ein Christ) die Aufregung der jüdischen Autoritäten bezüglich des Sabbats nicht verstehen. Im Islam ist der Sabbat ersetzt durch die ständige Ruhe, die der Moslem an jedem Tag der Woche in seinen regelmäßigen fünf Gebeten findet. Im Christentum ist der Ruhetag zwar noch vorhanden, er wird aber im Vergleich mit dem jüdischen Sabbat weniger streng gehandhabt und ist außerdem um einen Tag verschoben – vom letzten Tag der Woche, nach jüdischer Vorstellung, auf den ersten, den Tag der Auferstehung von Jesus.

Kann man über Fragen des Sabbats so streiten, daß am Ende Mordgedanken entstehen, wie wir es oben von den Pharisäern* lesen? Man kann es offenbar, allerdings nur wenn man den jüdischen Sabbat ganz ernst nimmt und zu einem zentralen Gedanken des Glaubens macht. Das ist durchaus denkbar, denn im Sabbat kommt ja nicht nur alles zur Ruhe, es kommt in in einem tiefen Sinn auch alles zu sich selbst und zum Frieden. Die Familie sammelt sich, die Bewegung von Ort zu Ort hört aufgrund des strengen Reiseverbots auf, das Gottesvolk kann in Ruhe zu sich selbst kommen.

Einige Ausleger** sehen den Kern der Aufregung über die Sabbatverletzungen durch Jesus genau in diesem Punkt: wer zu Jesus kommt, erlebt einen neuen, vollkommen veränderten Sabbat. Bei Jesus ist der Sabbat mehr als nur die Versammlung der jüdischen Glaubensgenossen am wöchentlichen Feiertag. Bei Jesus ist man unmittelbar beim „Herrn des Sabbats“, wie er von sich selbst sagt. Das Leben in seiner Nähe ist ein Sabbat in höherer Form.

Dies kann nicht ohne Folgen für das Verhältnis zwischen Jesus und seinen jüdischen Volksgenossen bleiben. Er löst mit dem auf ihn zentrierten Sabbat den Zusammenhalt des Volkes auf. Er begründet einen vollkommen neuen Zusammenhalt, und zwar im Kreis der ihm folgenden Menschen.

Im weiteren Verlauf von Kapitel 3 macht er das am Beispiel seiner Familie deutlich, die er mit recht schroffen Worten zurückweist und die er durch die Menge der ihm zuhörender und zustimmenden Menschen ersetzt - die sind seine neue Familie. Sie sind der Kern des neuen Volkes Gottes und für sie ist immer Sabbat, wenn sie bei Jesus sind.

Am Ende unseres Abschnittes sind es erneut die Dämonen, die von Jesus als dem Sohn Gottes sprechen. Das sollte man allerdings nicht so verstehen, daß diese Aussage sozusagen von zweitklassigen Zeugen getroffen wird. Im Gegenteil – die Botschaft von Jesus (und auch schon von Johannes) ist eng mit dem Gedanken verbunden, daß ein neues Reich Gottes vor seiner Ankunft steht. Es wird seine Macht gegen die Mächte der Finsternis wenden, und die Finsternis sieht es deutlich kommen - und fürchtet sich.

Die Ortsbezeichnungen weisen auf einen regen Zulauf zu Jesus hin - es sind Menschen aus dem heutigen Jordanien dabei ebenso wie Menschen aus Phönizien (Tyrus und Sidon am Mittelmeer, heute im Libanon) und aus dem damals nicht mehr rein jüdischen Südreich zum Golf von Akaba hin (Idumäa). Jesus wird über die Grenzen seines Landes bekannt.

*die Pharisäer waren angesehene Fromme der Jesuszeit, die sich durch strenge Einhaltung der alttestamentlichen Regeln hervortaten; über die hier ebenfalls erwähnten Herodianer sind sich die Ausleger nicht einig, möglicherweise sind es einflußreiche Hofbeamte des in Galiläa damals regierenden Königs Herodes Antipas, der in Kapitel 6 erwähnt wird

**besonders schön und eindrücklich: der Papst in seinem Jesusbuch



1 Kommentar:

  1. Der Sabbat ist um des Menschen willen geschaffen worden und nicht der Mensch um des Sabbats willen - nach meinem Eindruck ist das eine der Lieblingsbibelstellen vieler säkularisierter Christen und ich bin daher dankbar für die Fortsetzung: Bei Jesus ist man unmittelbar beim „Herrn des Sabbats“, wie er von sich selbst sagt. Das Leben in seiner Nähe ist ein Sabbat in höherer Form; ein Sabbat in höherer Form und nicht einer in trivialisierter Form.

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