Sonntag, 30. Mai 2010

Berg der Verklärung





Und nach sechs Tagen nimmt Jesus Petrus und Jakobus und Johannes mit und führt sie für sich allein auf einen hohen Berg. Und er wurde vor ihnen umgestaltet; und seine Kleider wurden glänzend, sehr weiß, so wie kein Walker auf der Erde weiß machen kann. Und es erschien ihnen Elia mit Mose, und sie unterredeten sich mit Jesus. Und Petrus begann und sagte zu Jesus: Rabbi , es ist gut, daß wir hier sind; und wir wollen drei Hütten machen, dir eine und Mose eine und Elia eine. Er wußte nämlich nicht, was er sagen sollte, denn sie waren voller Furcht. Und es kam eine Wolke, die sie überschattete; und eine Stimme kam aus der Wolke: Dieser ist mein geliebter Sohn, ihn hört! Und plötzlich, als sie sich umblickten, sahen sie niemand mehr bei sich außer Jesus allein.

Und als sie von dem Berg herabstiegen, gebot er ihnen, daß sie niemand erzählen sollten, was sie gesehen hatten, ehe nicht der Sohn des Menschen aus den Toten auferstanden sei. Und sie hielten das Wort fest und besprachen sich untereinander: Was ist das: aus den Toten auferstehen? Und sie fragten ihn und sprachen: Warum sagen die Schriftgelehrten, daß Elia zuerst kommen müsse? Er aber sprach zu ihnen: Elia kommt zwar zuerst und stellt alle Dinge wieder her. Und wie steht über den Sohn des Menschen geschrieben? Daß er vieles leiden und verachtet werden soll. Aber ich sage euch: Auch Elia ist gekommen, und sie haben ihm getan, was sie wollten , so wie über ihn geschrieben steht .

Und als sie zu den übrigen Jüngern kamen, sahen sie eine große Volksmenge um sie her und Schriftgelehrte, die mit ihnen stritten. Und sobald die ganze Volksmenge ihn sah, erstaunte sie sehr; und sie liefen herbei und begrüßten ihn. Und er fragte sie: Worüber streitet ihr mit ihnen? Und einer aus der Volksmenge antwortete ihm: Lehrer, ich habe meinen Sohn zu dir gebracht, der einen stummen Geist hat; und wo er ihn auch ergreift, zerrt er ihn zu Boden, und er schäumt und knirscht mit den Zähnen und wird starr. Und ich sagte deinen Jüngern, daß sie ihn austreiben möchten, und sie konnten es nicht. Er aber antwortete ihnen und spricht: O ungläubiges Geschlecht! Bis wann soll ich bei euch sein? Bis wann soll ich euch ertragen? Bringt ihn zu mir! Und sie brachten ihn zu ihm. Und als der Geist ihn sah, zerrte er ihn sogleich; und er fiel zur Erde, wälzte sich und schäumte. Und er fragte seinen Vater: Wie lange ist es her, daß ihm dies geschehen ist? Er aber sagte: Von Kindheit an; und oft hat er ihn bald ins Feuer, bald ins Wasser geworfen, um ihn umzubringen. Aber wenn du etwas kannst, so habe Erbarmen mit uns und hilf uns! Jesus aber sprach zu ihm: Wenn du das kannst? Dem Glaubenden ist alles möglich. Sogleich schrie der Vater des Kindes und sagte: Ich glaube. Hilf meinem Unglauben! Als aber Jesus sah, daß eine Volksmenge zusammenläuft, bedrohte er den unreinen Geist und sprach zu ihm: Du stummer und tauber Geist, ich gebiete dir: fahre von ihm aus, und fahre nicht mehr in ihn hinein! Und er schrie und zerrte ihn heftig und fuhr aus; und er wurde wie tot, so daß die meisten sagten: Er ist gestorben. Jesus aber nahm ihn bei der Hand, richtete ihn auf, und er stand auf. Und als er in ein Haus gegangen war, fragten ihn seine Jünger allein: Warum haben wir ihn nicht austreiben können? Und er sprach zu ihnen: Diese Art kann durch nichts ausfahren als nur durch Gebet.


(Kapitel 9, 2 – 29)

Nirgendwo sonst wird Jesus in den Evangelien so wunderbar und groß beschrieben wie hier. Und trotzdem liest man aus dem Kapitel eigentlich mehr über die Schwäche der Jünger als über die Macht und Kraft ihres Meisters.

Jesus hatte ja bereits in seiner ersten Rede gesagt, daß die gute Saat des Göttlichen in ständiger Konkurrenz mit dem Irdischen steht und jederzeit untergehen kann im Alltäglichen. Die Jünger erleben nach dem Abstieg vom mystischen Berg der Verklärung eine herbe Enttäuschung im Tal des Alltags: sie können einen Kranken nicht heilen und verwickeln sich in ihrem Mißerfolg dann auch noch in ein nutzloses Gezänk mit den Schriftgelehrten, ihren religiösen Gegnern.

Sie hören, wie Jesus wütend wird und sagt ich halte es mit euch nicht mehr aus!, sie sehen, wie er dann selbst die Arbeit übernimmt und den Kranken heilt. In diesem Moment ist dann aber die gewaltige Wirkung der Begegnung mit Mose und Elia, das Hören der Stimme aus der Wolke vergessen. Der graue Alltag hat die Jünger wieder.

Was haben sie falsch gemacht? Sie haben geglaubt, man könne das Gotteserleben festhalten wie einen sicheren Schatz, ein Guthaben auf der Bank, wie wir heute sagen würden. Petrus will Hütten bauen für die auf dem Berg erscheinenden Propheten, sie sollen hierblieben, in Reichweite der Jünger, zu ihrer Verfügung.

Das Göttlich gibt sich den Menschen aber nicht so, daß sie darüber verfügen können. Offenbarungen sind flüchtig, der Lauf der gewöhnlichen Dinge legt sich wie ein grauer Schleier über ihren Nachglanz. Nach christlicher Überzeugung ist es das Geheimnis von Jesus, daß sich in ihm Göttliches und Menschliches zu einer lebensfähigen Einheit verbinden. Sein Glanz vergeht deshalb nicht wie der Glanz geistlicher Höhepunkte, weil er sich ganz tief und fest mit dem menschlichen Leben verbunden hat, am Ende sogar durch den Tod.

Mir ist bewußt, daß sich diese Gedanken nur in einem sehr übertragenen Sinn für einen Moslem erschließen lassen. Die Wege des Verstehens gehen hier auseinander. Sie treffen sich am Ende allerdings wieder, wenn Jesus das Geheimnis eines gotterfüllten Lebens, eines Lebens, das Wunder bewirken kann, in den schlichten Satz kleidet: wenn nichts mehr wirkt, hilft nur eines, das Gebet.




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