Dienstag, 28. September 2010

Ein altes und ein neues Passah




Es war aber nach zwei Tagen das Passah und das Fest der ungesäuerten Brote. Und die Hohenpriester und die Schriftgelehrten suchten, wie sie ihn mit List greifen und töten könnten; denn sie sagten: Nicht an dem Fest, damit nicht etwa ein Aufruhr des Volkes entsteht.

Und als er in Betanien war, in dem Hause Simons des Aussätzigen, kam, während er zu Tisch lag, eine Frau, die ein Alabasterfläschchen mit Salböl von echter, kostbarer Narde hatte; sie zerbrach das Fläschchen und goß es aus auf sein Haupt. Es waren aber einige bei sich selbst unwillig: Wozu ist diese Verschwendung des Salböls geschehen? Denn dieses Salböl hätte für mehr als dreihundert Denare verkauft und den Armen gegeben werden können. Und sie fuhren sie an. Jesus aber sprach: Laßt sie! Was macht ihr ihr Mühe? Sie hat ein gutes Werk an mir getan; denn die Armen habt ihr allezeit bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen wohltun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat im voraus meinen Leib zum Begräbnis gesalbt. Aber wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt werden wird in der ganzen Welt, wird auch von dem, was sie getan hat, geredet werden zu ihrem Gedächtnis.

Und Judas Iskariot, einer von den Zwölfen, ging zu den Hohenpriestern hin, um ihn an sie zu überliefern. Sie aber freuten sich, als sie es hörten, und versprachen, ihm Geld zu geben; und er suchte, wie er ihn zu gelegener Zeit überliefern könnte.

Und am ersten Tag des Festes der ungesäuerten Brote, als man das Passahlamm schlachtete, sagen seine Jünger zu ihm: Wohin willst du, daß wir gehen und bereiten, damit du das Passahmahl essen kannst? Und er sendet zwei seiner Jünger und spricht zu ihnen: Geht hin in die Stadt, und es wird euch ein Mensch begegnen, der einen Krug Wasser trägt. Folgt ihm! Und wo er hineingeht, sprecht zu dem Hausherrn: Der Lehrer sagt: Wo ist mein Gastzimmer, wo ich mit meinen Jüngern das Passahmahl essen kann? Und er wird euch einen großen Obersaal zeigen, mit Polstern ausgelegt und fertig. Und dort bereitet es für uns! Und die Jünger gingen hinaus und kamen in die Stadt und fanden es, wie er ihnen gesagt hatte; und sie bereiteten das Passahmahl

Und als es Abend geworden war, kommt er mit den Zwölfen. Und während sie zu Tisch lagen und aßen, sprach Jesus: Wahrlich, ich sage euch: Einer von euch wird mich überliefern, der, welcher mit mir ißt. Sie fingen an, betrübt zu werden und einer nach dem anderen zu ihm zu sagen: Doch nicht ich? Er aber sprach zu ihnen: Einer von den Zwölfen, der mit mir das Brot in die Schüssel eintaucht. Der Sohn des Menschen geht zwar dahin, wie über ihn geschrieben steht. Wehe aber jenem Menschen, durch den der Sohn des Menschen überliefert wird! Es wäre jenem Menschen gut, wenn er nicht geboren wäre.

Und während sie aßen, nahm er Brot, segnete, brach und gab es ihnen und sprach: Nehmt, dies ist mein Leib! Und er nahm einen Kelch, dankte und gab ihnen den ; und sie tranken alle daraus. Und er sprach zu ihnen: Dies ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird . Wahrlich, ich sage euch, daß ich nicht mehr von dem Gewächs des Weinstocks trinken werde bis zu jenem Tag, da ich es neu trinken werde im Reich Gottes. Und als sie ein Loblied gesungen hatten, gingen sie hinaus zum Ölberg.

Jesus spricht zu ihnen: Ihr werdet euch alle ärgern, denn es steht geschrieben: "Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe werden zerstreut werden." Nachdem ich aber auferweckt sein werde, werde ich euch voran nach Galiläa gehen. Petrus aber sprach zu ihm: Wenn sich auch alle ärgern werden, ich aber nicht. Und Jesus spricht zu ihm: Wahrlich, ich sage dir, daß du heute, in dieser Nacht, ehe der Hahn zweimal kräht, mich dreimal verleugnen wirst. Er aber sprach nachdrücklich: Wenn ich mit dir sterben müßte, werde ich dich nicht verleugnen. Ebenso aber sprachen auch alle.

(Kapitel 14, 1 – 31)


Ich verstehe die zeitliche Reihenfolge der hier geschilderten Ereignisse so, daß im Jahr der Kreuzigung Jesu das Passahfest auf einen Freitag fiel, an den sich dann also ein weiterer Feiertag anschloß, der Sabbat. Das Passahfest fällt im jüdischen Mondkalender immer auf den 15. Nisan, auch heute noch, das ist der mittlere Tag, der Vollmond-Tag des Frühlingsmonates Nisan. Dieser Monat wird unter den Juden durch geeignete Schaltmonate auch immer im Frühling gehalten, während ja die islamischen Monate ohne eine solche Korrektur beständig durch die Jahreszeiten laufen, und jährlich um etwa elf Tage früher liegen als im Jahr zuvor.

Die Juden bereiten am 14. Nisan das Passahmahl vor und nehmen es am Abend ein. In ihrem Kalender beginnt der neue Tag und damit das Fest bereits mit dem Sonnenuntergang. Die Vorsichtsmaßnahmen der Oberen, Jesus nicht während des Festes zu ergreifen und abzuurteilen, gelingen nur teilweise. Man verhaftet ihn in der Nacht vom Donnerstag auf den Freitag, urteilt ihn noch in derselben Nacht ab und kreuzigt ihn bereits am Freitag um 9.00 Uhr. Er stirbt um 15.00 Uhr, das ist für seine Todesart, bei der manche Verurteilte erst nach tagelanger Qual sterben können, relativ schnell. Die Juden sind hierüber froh, weil sie den wenig später, bei Sonnenuntergang, beginnenden Sabbat beachten und Jesus noch eilig beerdigen können, bevor die allgemeine strenge Sabbatruhe einsetzt, an der man keine Toten mehr begraben darf.

Diese Ruhe wird beachtet, auch von den Jüngern, und man kümmert sich erst wieder am Morgen des übernächsten Tages, des ersten Wochentages wieder um das Grab – findet es dann aber leer. Von diesem Tag an feiern die Christen den ersten Tag der Woche, unseren heutigen Sonntag, als ihren neuen Feiertag und bringen so, gewollt oder ungewollt, einen im Kalender festgeschriebenen Optimismus in die Welt: die Woche hört nicht mit dem Feiertag auf, sie fängt mit ihm an.

Das Passah ist bis heute ein großes, bewegendes jüdisches Fest geblieben, das eigentlich alle Menschen erfreuen sollte (und es auch kann: die Juden laden gerne fremde Gäste mit an den Tisch). Sein großes Thema ist die Freiheit des Menschen und Gottes schützende Hand über dieser Freiheit.

Auf dem Weg zur Passah-Freiheit ist aber ein dunkles Tor zu durchschreiten: in der Nacht des Ur-Passah, der Nacht, in der die Israeliten den Pharao nach neun gescheiterten Versuchen endlich im zehnten Anlauf dazu zwingen, ihnen den geforderten freien Auszug zu gewähren, geht ein düsterer Racheengel durch die Straßen Ägyptens und erschlägt alle Erstgeburt – ohne Unterschied, ob er auf Ägypter oder Juden trifft.

Nur das Opferblut der zum Passah geschlachteten Lämmer verwehrt dem Todesengel den Zutritt in ein Haus, man streicht es zum Schutz an die Türpfosten. Das Auftreten dieses Engels bedroht einerseits die Juden und ermöglicht ihnen andererseits die Freiheit, weil es den Pharao entscheidend lähmt.

Nun also stirbt Jesus am Passah, und man sagt es unter Christen sehr vorsichtig und im Bewußtsein, ein großes, dunkles Bild vor sich zu sehen: er ist das Lamm Gottes.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen