Sonntag, 26. September 2010

Vom Feigenbaum




Aber in jenen Tagen, nach jener Bedrängnis, wird die Sonne verfinstert werden und der Mond seinen Schein nicht geben; und die Sterne werden vom Himmel herabfallen, und die Kräfte in den Himmeln werden erschüttert werden. Und dann werden sie den Sohn des Menschen kommen sehen in Wolken mit großer Macht und Herrlichkeit. Und dann wird er die Engel aussenden und seine Auserwählten versammeln von den vier Winden her, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels.

Von dem Feigenbaum aber lernt das Gleichnis: Wenn sein Zweig schon weich geworden ist und die Blätter hervortreibt, erkennt ihr, daß der Sommer nahe ist. So sollt auch ihr, wenn ihr dies geschehen seht, erkennen, daß es nahe vor der Tür ist. Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis alles dies geschehen ist. Der Himmel und die Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen. Von jenem Tag aber oder der Stunde weiß niemand, auch nicht die Engel im Himmel, auch nicht der Sohn, sondern nur der Vater. Seht zu, wacht! Denn ihr wißt nicht, wann die Zeit ist. Wie ein Mensch, der außer Landes reiste, sein Haus verließ und seinen Knechten die Vollmacht gab, einem jeden sein Werk, und dem Türhüter einschärfte, daß er wache, so wacht nun! Denn ihr wißt nicht, wann der Herr des Hauses kommt, ob des Abends oder um Mitternacht oder um den Hahnenschrei oder frühmorgens, damit er nicht, wenn er plötzlich kommt, euch schlafend finde. Was ich aber euch sage, sage ich allen: Wacht!


(Kapitel 13, 24 – 37)

Mein frommer Vater hat wie viele seiner Mitchristen das Bild vom Feigenbaum als auf den Staat Israel gemünzt angesehen. Israel und der Feigenbaum wird von vielen Christen gleichgesetzt (in Wikipedia werden sie „Christliche Zionisten“ genannt, dort gibt es auch einen Abschnitt über den Feigenbaum).

Bei meinem Vater führte diese Gleichsetzung dazu, daß er uns in der fröhlichen Erwartung aufzog, unsere Generation werde nicht mehr sterben, sondern den Messias sehen. Uns, die wir Zeugen wurden wie der Feigenbaum Israel nach 1948 ausschlug galt seiner Meinung nach Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis alles dies geschehen ist. Ich brauche nicht zu erwähnen, daß die Liebe zum Volk Israel hier eine ihrer Quellen hat.

Später habe ich gelernt, daß man den Abschnitt auch anders lesen kann. Aber wie immer man ihn auslegt (etwa indem man dieses Geschlecht als die Zuhörer Jesu ansieht, die dann allerdings damals zwangsläufig enttäuscht worden wären), er stellt dem Leser die Frage, für welchen Zeitpunkt er mit dem Ende der Welt und dem Gericht Gottes rechnet.

Da man es nicht wissen kann, tröstet man sich wohl am besten damit, daß von jenem Tag aber oder der Stunde niemand weiß. Das darf aber nicht dazu führen, daß man den Tag oder die Stunde so weit nach hinten verschiebt, daß die Erwartung auf ein Erscheinen der messianischen Realität Gottes stirbt und das Leben ohne das Nachdenken über die Wiederkehr Gottes beliebig wird.

Eigenartigerweise bringt das Lesen des Korans, dem zwar das Selbstzeugnis Jesu als Sohn natürlich nicht entspricht, die Ernsthaftigkeit der Lehre von den letzten Dingen und vom Endgericht über alle Taten des Menschen wieder neu in den Blick. Vielleicht ist das einer der wichtigen Impulse, die von den deutschen Muslimen an die deutschen Christen weitergegeben werden können.

Moslems und Christen können sich jedenfalls sicherlich im letzten Wort des Abschnittes gemeinsam angesprochen fühlen: Wacht!



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