Dienstag, 13. April 2010

Nureddin zu "Schweine"




Wundern sollten sich die christlichen Leser nicht darüber, wenn ich jetzt schreibe, daß wir Muslime Schweine nicht hassen. Wir lieben sie nur nicht so sehr, daß wir sie auch essen würden. Es gibt genügend andere Fleischsorten und es gibt keine Nahrungsknappheit in der Wohlstandsgesellschaft.

Wie üblich gibt es zwischen Lieben und Hassen viele Grautöne. Für uns Muslime sind auch Schweine wertvolle Tiere, weil Gott sie erschaffen hat. Alles, was Gott erschafft, ist sinnvoll und dient einem Zweck. Wir haben es zu respektieren und pfleglich zu behandeln. Auch die Schweine haben eine Aufgabe zu erfüllen, denn warum sollte Gott sie sonst erschaffen haben?

Unrein werden sie genannt, weil sie im Islam nicht zu den eßbaren Tieren angehören, man muß eben nicht alle Tiere essen. Die eßbaren Tiere werden im Islam kategorisiert und jeder der im Orient war weiß wie üppig der Speiseplan von Muslimen ist. Eßbar sind viele Fisch- und Geflügelarten. Von den Landtieren sollen Wiederkäuer verzehrt werden. Allesfresser, Fleischfresser, Reptilien und Amphibien sind keine eßbaren Tiere. Auch Artenschutz spielt im Islam eine Rolle.

Der Islam ist unter den Religionen die wissenschaftlichste. Von der Geburtsstunde des Islam an wurden die Muslime angehalten, im Namen Gottes alles zu lesen und darüber nachzudenken. Der Islam ist eine sehr verständliche, logische und praktizierbare Religion. Von einem einfachen Kamelhirten in der arabischen Wüste, bis zu einem islamischen Wissenschaftler wie Avicenna oder bis zum modernen Menschen des 21. Jahrhnderts kann der Islam problemlos verstanden und gelebt werden.

Seine Anweisungen sind auf der einen Seite sehr klar und bestimmt, aber auf der anderen Seite bietet der große Interpretationswinkel auch genug Spielraum, um den Menschen nicht zwischen Dogmen und starren Lebensformen einzuengen. Der gelebte Islam ist ein sicherer Kompaß, um in den sicheren Hafen Gottes zu gelangen, ohne daß man Schiffsbruch erleidet. Und es gibt in ihm immer den rettenden Weg des Vereinfachens der Religion, wenn es sein muß.

Ein Beispiel dafür ist der Verzehr von Schweinefleisch im Notfall. Trotz des Verbotes Schweinefleisch zu essen muß ein Muslim im Notfall lebensrettend Schweinefleisch essen. Ich liebe meine Religion für diese verständlichen, wissenschaftskonformen Formeln umso mehr. Je mehr die Naturwissenschaft neue Erkenntnisse gewinnt, desto verständlicher werden die islamischen Gebote und Verbote. Im Falle des Schweinfleischverzehrs ist es nicht anders.

Die Zoologen würden sagen, die Schweine sind Allesfresser, wie Menschen. Die Mediziner würden sagen, die Physiologie und Anatomie des Schweins, ist dem Menschen ähnlich. Zum Beispiel kann ein Diabetiker, eher ein Schweineinsulin vertragen, als ein Rinderinsulin. Das trifft auch auf Transplantationen zu. Dieser Vorteil kann aber auch zum Nachteil werden, weil durch diese Brückenfunktion Schweine sowohl tierische, als auch menschliche Erreger übertragen können. Normalerweise sind menschliche Erreger für Tiere ungefährlich, und umgekehrt.

Die Zoologen würden ferner sagen, Schweine sind Aasfresser, wie Geier oder Ratten und übernehmen in der Natur eine ähnliche Rolle. Für diese Aufgabe haben wir sie verständlicherweise gern. Natürlich werden Nutzschweine in der Viehwirtschaft, wie anderes Vieh, unter saubereren Verhältnissen gehalten. Das wollen wir zumindest glauben. Ein wenig Zweifel darüber sei allerdings gestattet, wenn man die aktuellen Probleme, wie die Schweinegrippe betrachtet.

Aber Schweinefleisch ist ohnehin ungesünder. Die Mediziner würden sagen, daß das Schweinefleisch unter den üblichen Fleischsorten am bedenklichsten ist im Bezug auf die Risiken, die durch Fleischkonsum entstehen. Diese Risiken beruhen unter Anderem auf den höheren Fettgehalt des Schweinefleisches, der für Arterienverkalkung verantwortlich ist und der seinerseits das Schlaganfalls- und Herzinfarktrisiko erhöht.

Das sind wissenschaftliche Fakten, die den Nichtverzehr von Schweinefleisch von Juden und Muslimen untermauern.

Allerdings ist für uns Muslime einzig und allein das Verbot Gottes ausschlaggebend und ausreichend. Dieses Verbot, das Gott erläßt, darf nach unserem Glauben kein Sterblicher, auch ein Petrus nicht, außer Kraft setzen. Nach Paulus begeht Petrus für mich ganz klar als zweiter einen Tabubruch, indem er Gottes Gebote verändert.

Um nach dem Exkurs in Islamkunde, noch mal auf diese Bibelstelle zurück zu kommen, muß ich als Muslim feststellen, daß hier ein Bild von Jesus (Friede sei mit ihm) als einem erbarmungslosen, gleichgültigen Exekutor über Leben und Tod vorgestellt wird, welches dem islamischen Jesusbild widerspricht. Auch wenn Schweine keine Menschen sind, einer wie Jesus(FSMI) mit seiner großen Barmherzigkeit und Fürsorge kann nicht den sinnlosen Tod von so vielen unschuldigen Lebewesen anordnen. Deshalb muß ich diese Bibelstelle an die Reihe der kritischen Stellen anheften.

Im Falle des Geisteskranken allerdings kann ich dem Bild zustimmen. Denn Jesus (FSMI) ist als ein besonderer Arzt Gottes berühmt. Er hat schon sehr viele durch Gottes Hilfe geheilt und eben auch diesen aussichtslosen Fall. Auch im islamischen Kulturkreis kennt man solche wundersame Heilungen durch Gottes Hilfe, z. B. durch Handauflegen oder im Gebet. Man kennt die Wirkung der Gebete, wenn sie von Gott erhört werden. Der moderne, ungläubige Mensch würde von einem Placeboeffekt sprechen.

Der Kern dieser Bibelstelle ist auch meiner Meinung nach das kurzsichtige Verhalten der Gerasener. Sie erkennen Jesus (FSMI) zwar als einen besonderen Menschen an, möchten aber trotzdem nicht mehr von ihm wissen. Eine für sie fatale Entscheidung.

Wir alle haben im Leben Momente der Entscheidung. Möge Gott uns bei unseren Entscheidungen nicht unserem Ego überlassen und uns helfen, stets die richtige Entscheidung zu treffen. Vermutlich haben die Gerasener ihren bekannten, kleinen Vorteil vor Augen oder haben Angst vor dem Neuen und Unbekannten, das ihnen viele Umstellungen abgefordert hätte. Es ist erstaunlich, daß sie die Augen vor der Wahrheit verschließen und meinen, in Sicherheit zu sein.

Dieses Phänomen ist sicher nicht nur auf die Gerasener oder ihre Zeitgenossen zu begrenzen. Ich ziehe Parallelen in unsere Zeit, in der die Menschen in etwa genauso handeln, wenn man sie auf Gottes Wege einlädt. Es ist vermutlich nicht einfach, die richtige Entscheidung zu treffen, oder, wenn es darum geht, zwischen dem späten aber unendlichen Glück und dem frühen aber dafür kurzes Glück zu wählen, das Richtige zu treffen.

Der Koran macht darauf ebenfalls aufmerksam, z.B. in der Sure "Die Auferstehung" (Sure 75/20-21):

20. Nein, ihr aber, ihr liebt das Gegenwärtige
21. und vernachlässigt das Jenseits.

Viele Menschen entscheiden sich kurzsichtig für den Vorteil im Diesseits und verspielen ihre große Chance im ewigen Jenseits. Vertagt man dagegen mit Geduld seinen persönlichen Vorteil und vergnügt sich im Diesseits nur soviel, wie es nötig ist, hat man die richtige Entscheidung getroffen. Deshalb gehen alle Propheten, alle Apostel und alle wahrhaftigen Gläubigen den bescheidenen, geduldigen Weg im Diesseits, um das Ergebnis im Jenseits zu ernten.




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