Freitag, 12. Februar 2010

Der Anfang in der Wüste




Dies ist der Anfang des Evangeliums von Jesus Christus. Wie geschrieben steht im Propheten Jesaja: "Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der da bereite deinen Weg." "Es ist eine Stimme eines Rufenden in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, macht seine Steige gerade!" Johannes trat auf und taufte in der Wüste und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden.

Und es ging zu ihm hinaus das ganze jüdische Land und alle Einwohner Jerusalems, und sie wurden im Jordanfluß von ihm getauft, indem sie ihre Sünden bekannten. Und Johannes war mit Kamelhaaren und einem ledernen Gürtel um seine Lende bekleidet; und er aß Heuschrecken und wilden Honig. Und er predigte und sagte: Nach mir kommt der, der stärker ist als ich; ich bin nicht würdig, ihm gebückt den Riemen seiner Sandalen zu lösen. Ich habe euch mit Wasser getauft, er aber wird euch mit Heiligem Geist taufen.

Und es geschah in jenen Tagen: Jesus kam von Nazareth in Galiläa und wurde von Johannes im Jordan getauft. Und sobald er aus dem Wasser heraufstieg, sah er die Himmel sich teilen und den Geist wie eine Taube auf ihn herabfahren. Und eine Stimme kam aus den Himmeln: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden. Und sogleich treibt ihn der Geist in die Wüste hinaus. Und er war vierzig Tage in der Wüste und wurde von dem Satan versucht; und er war unter den wilden Tieren, und die Engel dienten ihm.

(Kapitel 1, 1 – 13*)


Meine Befürchtung ist, daß Nureddin als mein erster (aber hoffentlich nicht einziger) Leser sich daran stört, Jesus schon gleich zu Beginn als Sohn Gottes vorgestellt zu bekommen. Immerhin: er wird nach dem Bericht des Markus, der ja keine Weihnachtsgeschichte enthält, von Gott nur adoptiert. Das nimmt einem Moslem vielleicht ein wenig von der skandalösen Vorstellung einer Zeugung durch Gott. Gott findet an Jesus Wohlgefallen, nachdem sich dieser als gehorsam erwiesen und sich der Taufe unterzogen hat. Deshalb nimmt er ihn als seinen Sohn an.

Seine Rolle als Sohn beinhaltet zunächst einmal diesen Gehorsam und dann später viel Schmerz und Elend. Kurz vor seiner Kreuzigung wird Jesus noch einmal in einem Gleichnis** erläutern, was es bedeutet, ein Sohn zu sein: so wie ein im Ausland lebender Gutsbesitzer zunächst seine Knechte schickt, um auf seinem Gut die Miete der Pächter einzufordern, so schickt Gott die Propheten, um seinen Anspruch an die Welt zur Geltung zu bringen. Nachdem die Pächter aber die Knechte nicht beachten oder sogar erschlagen, greift der Gutsbesitzer zu seinem letzten Mittel und schickt seinen Sohn. Er wird von den bösen Pächtern umgebracht.

Gerne möchte ich hier anführen, auf Ausgleich mit Nureddin bedacht, daß der in vielen Religionen mögliche Gedanke, einzelne Menschen könnten als Kinder Gottes angesehen werden, zunächst ja nur bedeuten soll, daß sie Gott besonders nahe sind. Es soll nicht bedeuten, daß sich der Eine und Einzige Gott in verschiedene Wesensheiten aufspalten läßt, daß also der Monotheismus aufgegeben wird.

Ich lese weiter mit den Augen eines Moslems: vertraut sein dürfte ihm am Anfang dieser Geschichte der Schritt von einem Propheten (Jesajas) über einen weiteren Propheten (Johannes) hin zu einem dritten Propheten (Jesus), den die Christen zwar nicht Propheten nennen, der aber natürlich in vieler Hinsicht in der prophetischen Tradition steht.

Einem Moslem sehr vertraut ist auch der Gedanke, daß der Ursprung einer Religion in der Wüste ist. Sie wird hier dreimal erwähnt - in der Prophezeiung des Jesajas, im Leben des Johannes und in den 40 Tagen, die Jesus anschließend ebenfalls in der Wüste verbringt.

Die modernen Ausleger haben manchmal aus dem Täufer Johannes einen wilden Hippie machen wollen, wie er da mit Kamelhaaren bekleidet seine Heuschrecken ißt, weit außerhalb der Zivilisation. Man hat sich mittlerweile aber eingehender mit den Bewohnern der Wüste beschäftigt und festgestellt, daß Johannes sich perfekt der Wüste angepaßt hat und nun so lebt, wie es die Kinder Israel als Nomaden viele Jahre lang vor dem Einzug in ihr gelobtes Land getan haben. Möglicherweise haben die Zeitgenossen des Johannes sein ganzes Auftreten intuitiv auch so verstanden, daß er dadurch sagte: wir haben durch unsere Sünden dieses gelobte Land verloren und müssen zu unserem Ausgangspunkt in der Wüste zurückkehren, um es neu gewinnen zu können.

Johannes ist nun der erste, der die Gläubigen mit einem äußeren Zeichen versieht, das in seiner Dramatik nur mit dem äußeren Zeichen der Beschneidung verglichen werden kann: der Taufe. Zwar ist es kein bleibendes Zeichen, weil das Wasser selbstverständlich wieder abtrocknet, aber es ist ein Zeichen, das in dem Moment, wo die Menschen in das feuchte und bedrohliche Elemente eintauchen, in vielen wohl einige Angst erregt und als Symbol für die ganze Erbärmlichkeit des Menschen und seine Erneuerungsbedürftigkeit steht.


* hier und im Folgenden nach der Elberfelder Übersetzung zitiert, lediglich Vers 1 und 2 sind aus der Lutherbibel (um mit dem fotografierten Text im Titel übereinzustimmen)

** Kapitel 12, 1 - 12



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