Mittwoch, 17. Februar 2010

Die ersten Jünger, aber auch der erste Dämon




Und nachdem Johannes überliefert war, kam Jesus nach Galiläa und predigte das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe gekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium! Und als er am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, Simons Bruder, im See die Netze auswerfen, denn sie waren Fischer. Und Jesus sprach zu ihnen: Kommt mir nach, und ich werde euch zu Menschenfischern machen! Und sogleich verließen sie die Netze und folgten ihm nach. Und als er ein wenig weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes, auch sie im Boot, wie sie die Netze ausbesserten; und sogleich rief er sie. Und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit den Tagelöhnern im Boot und gingen weg, ihm nach.

Und sie gehen nach Kapernaum hinein. Und sogleich ging er am Sabbat in die Synagoge und lehrte. Und sie erstaunten sehr über seine Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, und nicht wie die Schriftgelehrten. Und sogleich war in ihrer Synagoge ein Mensch mit einem unreinen Geist; und er schrie auf und sagte: Was haben wir mit dir zu schaffen, Jesus, Nazarener? Bist du gekommen, uns zu verderben? Ich kenne dich, wer du bist: der Heilige Gottes. Und Jesus bedrohte ihn und sprach: Verstumme und fahre aus von ihm! Und der unreine Geist zerrte ihn und rief mit lauter Stimme und fuhr von ihm aus. Und sie entsetzten sich alle, so daß sie sich untereinander befragten und sagten: Was ist dies? Eine neue Lehre mit Vollmacht? Und den unreinen Geistern gebietet er, und sie gehorchen ihm. Und die Kunde von ihm ging sogleich hinaus überall in die ganze Umgebung Galiläas.


(Kapitel 1, 14 – 28)

Die Jünger treten in Erscheinung! Daß dies gleich zu Beginn des Markus-Berichtes steht, verdeutlicht die wichtige Rolle welche die Zwölf spielen. Zwar lernt man später von einigen Jüngern nicht mehr als nur den Namen (Markus stellt alle zwölf einmal kurz zusammen vor, in Kapitel 3), aber die Rolle, die sie dann bei der Gründung der Kirche nach dem Tod und der Auferstehung von Jesus* spielen, ist aus einem einleuchtenden Grund wichtig: Jesus hinterläßt nichts Schriftliches, das Zeugnis von ihm lebt von der Erinnerung seiner Nachfolger.

Ähnlich wie bei Sokrates – und anders als bei Moses und Mohammed – sind auch bei Jesus alle Reden nur mündlich überliefert**. Für die späteren schriftlichen Zeugnisse ist also das Wissen der zwölf Jünger entscheidend, von ihrer Darstellung der Ereignisse um Jesus hängt die Glaubwürdigkeit der jungen Bewegung ab. Nureddin hat gleich in seinem ersten Kommentar diese Glaubwürdigkeit als Problem bezeichnet, aber sie muß in der Anfangszeit der Christen, also etwa nach dem Jahr 35 unserer Zeitrechnung, sehr groß gewesen sein. Anders ist der schnelle Erfolg der Kirche in ihrer Frühzeit nicht denkbar.

Mit Blick auf unsere moderne Zeit und auf die Jahre der Aufklärung muß man im Umkehrschluß sagen, daß der zentrale Angriff der historisch-kritischen Methode auf die Glaubwürdigkeit der ersten christlichen Zeugnisse dem Glauben wie kaum etwas Anderes geschadet hat.

Nun sollten die Kritiker der Überlieferung allerdings bedenken, daß sich die unterschiedlichen Autoren der Bibel von Anfang an dieser Kritik stellen mußten. Jesus war ja eine geschichtliche Figur. Man konnte zu Lebzeiten der Jünger große Teile der Berichte über ihn durchaus noch nachprüfen - etwa indem man weitere mündliche Aussagen hinzuzog oder indem man die vier vorliegenden Schriften miteinander verglich - und konnte dann wissen, ob die Aussagen richtig waren oder nicht.

Der Koran dagegen - Friede und unser aller großer Respekt sei mit ihm - ist ein Buch, das geglaubt werden will. Sein Kern, das Reden Gottes mit dem Propheten, steht jenseits aller historischer Überprüfung. Daß dieses Reden richtig überliefert wurde, wird man kaum bestreiten wollen, daß es aber Gottes Reden war, daß ist der Kern der Unterscheidung von Glaube und Unglaube.

Die Frage nach der Glaubwürdigkeit der ersten christlichen Zeugen besteht nun also bis heute fort, und jeder Leser muß sie neu und für sich persönlich beantworten. Bemerkenswert ist, daß die Markus-Stelle, in der es um die Auswahl dieser Zeugen geht, eine eher unbequeme Wahrheit offen benennt: es sind einfache und ungelehrte Leute, die hier berufen werden. Aussagen wie diese stützen die Wahrscheinlichkeit, daß die Berichte echt sind und keine Heldensagen.

Ein weiteres, ganz anderes Zeugnis begleitet Jesus von Anfang an: er wird von den Dämonen erkannt und identifiziert. Die Dämonen des Neuen Testamentes sind finstere Mächte***, keine neutralen Geister wie die Dschinne im Koran. Immer wieder sprechen sie in der Gegenwart von Jesus aus, was niemand anders so offen sagt: du kommst von Gott, du bist der Heilige Gottes. Sie fürchten Jesus, auch das ist ein Teil des übereinstimmenden Zeugnisses der vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes.


* unter den Christen hält sich die Sitte, den Namen Jesus nicht deutsch sondern lateinisch in den Genitiv, Dativ und Akkusativ umzuformen – man hört auf Jesu Worte und sieht auf Jesum. Ich wähle hier die moderne Form, wenn es sich um Berichte über das Leben von Jesus handelt.

** Im Koran, Sure 19,30, gibt es einen Hinweis auf ein "Kitab", ein Buch, das Jesus nach islamischer Vorstellung zusammen mit seinem Prophetenamt empfangen hat - vielleicht der Thora oder dem Koran ähnlich. Die Kommentare zum Koran gehen davon aus, daß dieses Offenbarungsbuch auch den Jüngern bekannt war aber verlorenging und von den Jüngern um 40 n. Chr. rekonstruiert und mit eigenen Berichten ergänzt wurde - zu unseren vier Evangelien. Ich will beim weiteren Lesen darauf achten, ob sich Spuren eines solchen Ur-Buches im Bericht von Markus finden. Ich erwarte sie eher nicht, aber ich will ja offen und mit muslimischen Augen lesen.

*** Ihr häufiges Vorkommen in Israel wird auch in römischen Berichten erwähnt.



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