Donnerstag, 8. Juli 2010

Nureddin zu "Was will Jesus in Jerusalem?"




Was will Jesus in Jerusalem? Er geht seiner Erfüllung entgegen, knapp gesagt. Er geht seinem sterblichen Ende zu, wohl wissend um dieses Ende, das gleichsam sein Anfang bei seinem geliebten Schöpfer, Gott, bedeutet. Das verwundert einen Muslim in keiner Weise. Für uns Muslime ist der Tod das Tor zum Paradies, eine Erlösung von irdischen Zwängen, von Krankheit oder Alter. Der Tod ist daher nicht etwas, wovor wir uns fürchten müssen.

Für uns Muslime ist das Diesseits ein kleiner Rastplatz auf der langen menschlichen Reise ins Unendliche. Es ist ein unbequemer, kurzer Aufenthalt vor dem Einzug in den richtigen Ort, der einem Palast ähnelt. Es lohnt sich nicht, sich auf diesem kleinen Rastplatz so einzurichten, als würde man für immer dort bleiben.

Es gibt ein Leben nach dem Tod - weshalb sonst sollte unser lieber Schöpfer so vieles erschaffen haben, nur um es wieder verschwinden zu lassen? Was wäre das für eine große Verschwendung und ein sinnloses Ganzes! Da aber schon das kleinste Detail in allen Dingen eine Bedeutung hat, kann nicht das ganze Makrosystem sinnlos sein. Wenn also davon auszugehen ist, dass nicht einmal eine winzige Stecknadel sinnlos ist, wie kann dann angenommen werden, dass das ganze wunderbar harmonisch funktionierende Makrosystem, samt seinen millionenfach eingeschlossenen Mikrosystemen ohne einen höheren Sinn ist? Das wäre nicht logisch und es würde dem Ganzen, dem exakt Funktionierenden, dem nach Maß Erschaffenem widersprechen.

Deshalb ist die Gewissheit bei Gläubigen so stark vorhanden, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Je größer der Glaube an Gott, desto größer der Glaube an das Jenseits und desto größer auch der innere Friede. Diesen Weg können alle Menschen verstehen und ausprobieren.

Bei Propheten, also Menschen die mit Gott sprechen oder eine Botschaft durch Engel erhalten, gibt es noch eine zusätzliche Gewissheit, weil die Propheten nämlich selbst Zeuge des göttlichen Daseins sind. Sie kennen daher weder Furcht noch Tadel auf dem Wege der Erfüllung ihrer Pflicht.

Diese Eigenschaft und weitere Eigenschaften Jesu (Friede sei mit ihm) sind auch für uns Muslime ein Beispiel, dem wir folgen müssen. Mit Sicherheit kann ich deshalb sagen, dass Jesus (FSMI) nicht nur unseren Glauben stärkt, sondern auch unser Handeln im Sinne unseres Glaubens belebt.

Das Handeln im Sinne des Glaubens ist ein wichtiger Beweis für die Qualität und Stärke des Glaubens. In der 114. Sure „Asr“ im Koran heißt es zu einem gotterfüllten Leben sinngemäß, es hat folgende Eigenschaften: zuerst der Glaube, dann der Dienst (Handeln im Sinne Gottes), dann die Geduld und zum Schluss die Gerechtigkeit. Wer diese Eigenschaften für sich umsetzt, der lebt, liebt und wird geliebt im Sinne Gottes.

Ich schaue um mich und sehe viele zeitgenössische „Schriftgelehrte und Templer“. Sie sind Muslime, Christen oder Juden. Sie verbindet ihre äußerliche, künstliche Beteuerung ihres Glaubens. Doch in der Bewährung versagen sie. Sie misshandeln, töten, lügen, diskriminieren, obwohl sie ihren Glauben beteuern. Ich kann Menschen verstehen, die unter dem Eindruck dieses Elends Abstand von der Religion nehmen. Sie sagen, wenn die Religion Menschen zu solchen Schandtaten befähigt, dann möchte ich damit nichts zu tun haben.

Diese Kritik ist berechtigt, jedoch darf nicht die Religion mit diesen Schauspielern, die sich gläubig nennen, verwechselt werden. Es gibt auch wahre Gläubige unter Muslimen, unter Christen und unter Juden. Ihr Leben ist gotterfüllt, weil sie in seinem Sinne handeln, mit Güte, mit Milde und mit Liebe. Selbstlos sind sie, und sie halten die Gunst Gottes für das erstrebenswerteste im Leben. Sie pfeifen auf Rang, Klang, Macht und Geld. Sie wählen wie Jesus (FSMI) ein bescheidenes, einfaches Leben für sich, leben aber für andere ein Leben im Dienste ihrer Mitmenschen.

Sie können es nicht ansehen, wie sich Menschen aufgrund von unbedeutenden Kleinigkeiten anfeinden, wie sie Unrecht tun. Sie wissen, den Geschädigten ergeht zwar im Diesseits Unrecht, aber die Schädiger erwartet dafür eine furchtbare Zukunft im Jenseits. Die Gläubigen sorgen sich oft sogar um die Schädiger und um ihre schreckliche Zukunft. Sie rücken von ihrem eigenen Recht im Gericht ab, damit keiner die Hölle erfährt, auch ihre Widersacher nicht.

Solche und ähnliche Gedanken bringen wahre gläubige Menschen zusammen, im Islam, im Christentum, im Judentum und in den übrigen Religionen. In diesem Sinne hat ein wahres gläubiges Herz mehr gemeinsam mit einem ethisch korrekten Atheisten als mit einem angeblich gläubigem, aber im Kern toten religiösen Menschen. Diese Toten sind verantwortlich dafür, dass sich so viele von Gott abwenden.



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