Samstag, 10. Juli 2010

In der Schwebe




Und als sie frühmorgens vorbeigingen, sahen sie den Feigenbaum verdorrt von den Wurzeln an. Und Petrus erinnerte sich und spricht zu ihm: Rabbi, siehe, der Feigenbaum, den du verflucht hast, ist verdorrt. Und Jesus antwortete und spricht zu ihnen: Habt Glauben an Gott! Wahrlich, ich sage euch: Wer zu diesem Berg sagen wird: Hebe dich empor und wirf dich ins Meer! und nicht zweifeln wird in seinem Herzen, sondern glauben, daß geschieht, was er sagt, dem wird es werden. Darum sage ich euch: Alles, um was ihr auch betet und bittet, glaubt, daß ihr es empfangen habt, und es wird euch werden. Und wenn ihr steht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemand habt, damit auch euer Vater, der in den Himmeln ist, euch eure Übertretungen vergebe.

Und sie kommen wieder nach Jerusalem. Und als er in dem Tempel umherging, kommen die Hohenpriester und die Schriftgelehrten und die Ältesten zu ihm und sagen zu ihm: In welcher Vollmacht tust du diese Dinge? Oder wer hat dir diese Vollmacht gegeben, daß du diese Dinge tust? Jesus aber sprach zu ihnen: Ich will euch ein Wort fragen. Antwortet mir! Und ich werde euch sagen, in welcher Vollmacht ich diese Dinge tue: War die Taufe des Johannes vom Himmel oder von Menschen? Antwortet mir! Und sie überlegten miteinander und sprachen: Wenn wir sagen: vom Himmel, so wird er sagen: Warum habt ihr ihm denn nicht geglaubt? Sollen wir aber sagen: von Menschen? Sie fürchteten die Volksmenge. Denn alle meinten, daß Johannes wirklich ein Prophet sei. Und sie antworten und sagen zu Jesus: Wir wissen es nicht. Und Jesus spricht zu ihnen: So sage auch ich euch nicht, in welcher Vollmacht ich diese Dinge tue.


(Kapitel 11, 20 - 33)

Manchmal sollte man bekannte Geschichten so lesen, als kenne man sie noch nicht und als ob ihr Ende vollkommen offen sei. Die altbekannte Jesus-Geschichte mit dem zwangsläufigen Ende in Gewalt und Tod könnte ja so ganz anders ausgehen, wenn nur der Schutz der Volksmenge, die Jesus in unserem Abschnitt umgibt, dauerhaft ausreichen würde, so daß man ihn nicht verhaften kann, auch nicht nachts, auch nicht außerhalb Jerusalems.

Aber es wird so geschehen, man wird ihn draußen vor der Stadt im Garten Gethsemane und in der Nacht verhaften, das steht ihm bevor. Aber - sein Schicksalsweg hält ab heute für einige Tage an, man sieht ihn an einem erhabenen Ort, dem gewaltigen Jerusalemer Tempel, einem Prachtbau der Antike, sieht in souverän.

Es gibt viele glückhafte Szenen in diesen Tagen, in denen das Schicksal Jesu wie in der Schwebe festgehalten scheint. Die Schriftgelehrten werden in ihre Schranken gewiesen, ja, einer von ihnen ist nahe daran, in das Lager Jesu überzulaufen (Kapitel 12,28), viele Lehrfragen werden von Jesus mit starken und weisen Worten geklärt, die historische Rolle Jesu wird in einem eindrucksvollen Bild verdeutlicht.

Aber gerade dieses Bild – die Geschichte von den Pächtern, die dem Besitzer eines Weinberges die Zahlung verweigern und einen Emissär des Besitzers nach dem anderen vertreiben, ja töten (sie wird im gleich folgenden Kapitel 12 erzählt) – macht allen, die es verstehen, deutlich, daß Jesus selbst es ist, der als letzter Bote den Anspruch des Besitzers (Gott) auf die Erträge aus seinem Weinberg (der Welt) erhebt, aber aufgrund der Bosheit der Welt sterben muß.

Aber noch ist es nicht so weit, noch kann Jesus im Schutz der Menge frei und ungehindert reden. Heute entlarvt er die Tempelelite als zwischen politischen Überlegungen hin und her lavierende Schwachköpfe. In den nächsten Tagen klärt er weitere Frage, mit großer Vollmacht. Gingen doch diese Tage nie zu Ende!



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